Heute vor 200 Jahren hat der Wiener Kongress der Schweiz die Neutralität geschenkt. Für gewisse «Eliten» in Zürcher Elfenbeintürmen und Berner Beamtenstuben ist sie ein Störfaktor, man muss sie weg-relativieren. Heute gibts in Zürich ein «Kolloquium» dazu. An dieser «offiziellen» Feier (der Kanton Zürich bezahlts) werden Redner- und -innen auftreten, die es mit der Neutralität nicht so haben.
Umso mehr setzte der gestrige Abend ein markantes Zeichen. 1300 Leute kamen ins Zürcher Kongresshaus und feierten die Schweizer Neutralität. Die Züricher SVP hat eingeladen, auch die AUNS stand hinter diesem Abend. Die Redner: Historiker Christoph Mörgeli, Verleger und Journalist Roger Köppel, Alt-Bundesrat Christoph Blocher.
«Die Neutralität ist nicht Selbstzweck, sondern das Mittel zur Unabhängigkeit der Schweiz.» Die drei Reden erinnerten die Besucher auf kurzweilige, verständliche Art daran, was die Schweiz an der Neutralität hat.
Historiker Christoph Mörgeli begann mit Niklaus von Flüe, 15. Jahrhundert, die Schweiz mischelte in der Europapolitik mit, wollte immer mehr, nahm sich immer wichtiger; es gab somit Probleme, zum Beispiel im Zusammenhang mit Schweizer Söldnern, die sich selber gegenüberstanden im Krieg. Man merkte: Abkehr von der Grossmachtpolitik ist überlebenswichtig. Innere Unruhen brachten Unsicherheit, die Schweiz realisierte die Gefahr und aktzeptierte den Ratschlag von Niklaus von Flüe:
«Machet den zun nit zu wit!» und die kurze und klare neutralitätspolitische Maxime: «Mischt Euch nicht in fremde Händel».
Christoph Mörgelis Definition von Neutralität: «Still sitzen.» Aber das sei halt nicht en vogue in Bern. Es würde dem Bundesrat schon gut anstehen, öfters mal einfach still zu sitzen. «Und dazu auch Maul zu halten.»
Die Unabhängigkeit der Schweiz wurde im Westfälischen Frieden (1648, Münster/Osnabrück) von Europas Grossreichen zum ersten mal festgehalten. «Zu des Vaterlands Vorteil», zitiert Mörgeli, damit Ruhe und Sicherheit einkehre. Es blieb teilweise unruhig (Napoleon kommt, stellt um, braucht ein Durchmarschgebiet), grundsätzlich aber wuchs in der Schweiz immer mehr auch eine eigene Identität. Die auch von aussen anerkannt wurde.
1814 dann der Wiener Kongress. Napoleon trat von der Bühne ab, man sortierte Europa neu, definierte Staaten. «Die Schweizer Unterhändler gaben kein sehr gutes Bild ab, waren unter sich zerstritten», so Mörgeli. Man einigte sich aber auf letzte Gebiets-Austausche (u.a. Veltlin geht, Landdurchgang nach Genf und Fürstbistum Basel kommen dazu). Und vor allem: Die Welt erkennt die immerwährende bewaffnete Neutralität der Schweiz und die Unabhängigkeit von jedem fremden Einfluss durch irgendwelche Grossmächte.
Eine Generation später die Gründung des Bundesstaates (1848), was weiter Stabilität gab. Man nahm bewusst die Präambel der Bundesverfassung als Einstieg: «Im Namen Gottes.»
Mörgeli: «Die Neutralität ist nicht Selbstzweck, sondern das Mittel zur Unabhängigkeit der Schweiz.» Die Schweiz wird ein Anker für Konfliktparteien weltweit, die auf neutralem Boden, in Stabilität und Ruhe und unbeeinflusst gemeinsam Reden wollen. Bis heute schätzen internationale Organisationen diese Voraussetzungen sehr. Noch.
«Dass die Neutralität allen dient, zeigte sich schon rasch.» Sie habe die Internierung der Bourbaki-Armee ermöglicht oder oder auch die Befreiung der Bevölkerung aus dem belagerten Strassburg.
Wer hinsehen konnte (noch ohne Twitter et al), sah etwas Neues: Da ist jemand, dem man vertrauen kann weil er neutral ist. Und der sich für Frieden und Sicherheit einsetzt.
Dazu Mörgeli: «Die bewaffnete Neutrlität war glaubwürdig.»
Diese Neutralität habe sich 1914, 1938 trotz drückender Achsenmächte halten können. Sie war in der Neuordnung Europas ab 1945 ein sicherer Wert und hat der Schweiz weltweit einen sehr guten Ruf gebracht.
«Man musste sie aber immer mehr im Innern verteidigen» – Mörgeli zeigte ein Bild der Anfangszeiten der AUNS, die sich mit genau diesem Zweck gründete.