Die AUNS lehnt den zweiten Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Staaten («Kohäsionsmilliarde») ab. Es geht dabei um 1,3 Milliarden, tausenddreihundert Mal eine Million Franken. Die wichtigsten Gründe: Grosse Widersprüchlichkeit im Verhältnis «autonome Kohäsionszahlungen – EU-Politik» / nicht erkennbare Strategie dahinter / Erpressbarkeit. Ein klares weiteres Nein sagt die AUNS zum Rahmenkredit «Migration». Auch hier: Nicht erkennbarer Nutzen für die Migrationspolitik der Schweiz und nicht erkennbare thematische Verknüpfung «Kohäsion – Migration».
Unsere Stellungnahme im Rahmen der Vernehmlassung:
1 Ausgangslage
Der Bundesrat beabsichtigt, einen zweiten finanziellen Unterstützungsbeitrag an ausgewählte EU-Staaten im Gesamtbetrag von 1 302 Millionen Franken zu zahlen (Tausenddreihundert Mal eine Million Franken). Der Beitrag teilt sich in 3 wesentliche Teilbeträge auf:
- Rahmenkredit «Kohäsion»: 1 049.9 Mio. CHF
- Rahmenkredit «Migration»: 190 Mio. CHF
- Aufwand Bundesverwaltung: 1 Mio. CHF
Der Rahmenkredit «Migration» ist eine neue, zusätzliche Begründung des Bundesrates für den zweiten Beitrag.
2 Rahmenkredit «Kohäsion»
2.1 Begriff «Kohäsion»
Das EDA ist bemüht, den Begriff Kohäsionsmilliarde zu vermeiden. Weiter stellt das EDA fest, die Schweiz zahle nicht in den Kohäsionsfonds der EU ein. Grundlage für die Schweizer Zahlungen sei das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas. Die AUNS unterstützt diese Ansicht und lehnt die Verwendung des Begriffs im erläuternden Vernehmlassungsbericht des Bundesrates ab.
2.2 Verknüpfung der Zahlung mit der EU-Politik
Im Vernehmlassungsbericht Ziffer 1.2. betont der Bundesrat, der 2. Schweizer Unterstützungsbeitrag werde «autonom» gesprochen (u.a. auch Ziff. 5.2.) und sei nicht mit anderen EU-Dossiers verknüpft. In der gleichen Ziffer aber bringt der Bundesrat die Thematik in Zusammenhang mit BV Art. 121a sowie mit angestrebten Fortschritten bei den Markzugangs- und Kooperationsabkommen sowie mit der Klärung institutioneller Fragen und der provisorischen Anerkennung der Äquivalenz der Schweizer Börse. Er argumentiert weiter, der Beitrag unterstütze «darüber hinaus die guten Beziehungen zur gesamten EU». Dies komme «unter anderem auch den Handelsbeziehungen zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner der Schweiz und dem Austausch im Bildungs- und Forschungsbereich zugute» (Ziff. 2.1.b.).
Der Bundesrat müsste insbesondere gegenüber der EU-Kommission den eigenständigen beziehungsweise «autonomen» Ansatz vertreten und nicht von sich aus einen EU-politischen Kontext wie in Ziffer 1.2. schaffen. Dass die im Vernehmlassungsbericht bemühte «Autonomie» zusätzlich scheitert, zeigen die unmissverständlichen EU-Positionen, dass weitere Kohäsionszahlungen von der Schweiz erwartet werden.
Die Folgen der mangelnden Bereitschaft des Bundesrates, die Interessen und die Souveränität der Schweiz gegenüber der EU mit der gebotenen Konsequenz zu vertreten, werden im vorliegenden Erläuterungsbericht mit aller Klarheit sichtbar. Der Bundesrat hat es zu verantworten, dass der 2. Schweizer Beitrag in Abhängigkeit seiner wenig konsequenten EU-Politik geraten und die Schweiz erpressbar geworden ist (Börsen-Äquivalenz).
Der Zugang zum EU-Binnenmarkt ist mit entsprechenden Abkommen – losgelöst von Beitragszahlungen im Rahmen der Osthilfe – zu regeln.
Der Bundesrat hat eine neue Ausgangslage zu schaffen, damit entweder mögliche Partnerschaften mit europäischen Oststaaten weitergeführt werden können oder er setzt die Zahlungen als politisches Druckmittel gegenüber der EU-Kommission konsequent ein.
Die Argumentation der EU-Kommission, die Unterstützungsbeiträge seien quasi der «Binnenmarkt-Eintrittspreis» ist zurückzuweisen. Das Handelsbilanzdefizit mit der EU (EU-Arbeitsplätze!), die Anzahl EU-Grenzgänger, die über 1.4 Mio. EU-Bürgerinnen und -Bürger in der Schweiz, die Anzahl EU-Studierende und -Forscher (Forschung auch für den Standort EU!) sowie die verkehrspolitische EU-Ausrichtung belegen, dass die Schweiz zum Funktionieren des Binnenmarktes beiträgt.
Frage der Vernehmlassung: «Befürworten Sie die Bereitstellung eines 2. Schweizer Beitrags an ausgewählte Staaten der EU?»
Nein. Die Widersprüchlichkeit im Verhältnis «autonome Kohäsionszahlungen – EU-Politik», die nicht erkennbare Strategie sowie die vom Bundesrat verursachte Erpressbarkeit begründen die Ablehnung des 2. Beitrages an ausgewählte EU-Staaten durch die AUNS.
2.3 Rahmenkredit «Migration»
Der Rahmenkredit Migration – 190 Mio. CHF – steht in keinem Zusammenhang mit der gesetzlich geregelten Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas. Die aktuellen Ereignisse in der EU zeigen, dass das Thema Migration die Bürgerinnen und Bürger sowie die Regierungen und die EU-Kommission tiefgreifend beschäftigt. Die Folgen der langjährigen, verantwortungslosen Migrationspolitik – insbesondere der deutschen Bundesregierung – und der verantwortungslosen Vernachlässigung der EU-Aussengrenze sowie der fehlende politische Wille, das Schengen-Dublin-System zu überprüfen und notwendigen Reformen einzuleiten, führen zu starkem Widerstand und in der Folge zu Regierungswechseln. Die Resultate des EU-Gipfels vom 29. Juni 2018 widerspiegeln das Unvermögen und den Unmut sowie die Notwendigkeit einer migrationspolitischen Korrektur.
Wenn der Bundesrat die Ansicht vertritt, die Schweiz habe sich politisch und finanziell stärker in die EU-Migrationspolitik einzubringen, müssen die Voraussetzungen und die Strategie unabhängig von einem möglichen Rahmenkredit «Kohäsion» geschaffen werden. Die Verknüpfung in einem Paket entbehrt jeglicher politischer und materieller Grundlage.
Es ist nicht Aufgabe der Schweiz, «das gute Funktionieren der europäischen Systeme im Migrationsbereich inkl. Harmonisierung entsprechender europäischer Standards» (zit. Punkt 2.1.a.) zu gewährleisten. Explizit muss auch von EU- und nicht europäischen Systemen gesprochen werden, da die entsprechenden Grundlagen von der EU geschaffen wurden. Folgerichtig hat die EU dafür zu sorgen, dass ihre Systeme funktionieren und die irreguläre Weiterwanderung innerhalb des EU-Schengen-Dublin-Raums (Sekundärmigration) verhindert wird.
Das Ziel des Bundesrates, mit 190 Mio. CHF die Herausforderungen im Flüchtlings- und Migrationsbereich in Europa künftig besser zu bewältigen, ignoriert die tatsächliche Situation und ihre Ursachen. Die dargestellte Kooperation (Ziffer 2.3.4b) generiert keinen konkreten Nutzen für die Schweiz. Sie trägt weder dazu bei, die Landesgrenzen effizienter zu kontrollieren noch nicht schutzbedürftige Migranten abzuhalten. Sie führt auch nicht zu schnelleren Asylverfahren und konsequenten Rückführungen. Im Gegenteil zementiert der Schweizer Beitrag die Fehler der Vergangenheit. Der Rahmenkredit «Migration» liegt nicht im Interesse der Schweiz.
Frage der Vernehmlassung: «Befürworten Sie die Schwerpunktthemen Berufsbildung und Migration?»
Nein. Der nicht erkennbare Nutzen für die Migrationspolitik der Schweiz und die nicht erkennbare thematische Verknüpfung «Kohäsion – Migration» begründen die Ablehnung des Rahmenkredites «Migration» durch die AUNS.
3 Anhang
Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas
vom 30. September 2016 (Stand am 1. Juni 2017)
Art. 1 Gegenstand
1 Der Bund trifft Massnahmen, die geeignet sind, die Staaten Osteuropas in ihren Bemühungen zum Aufbau und zur Festigung der Demokratie sowie beim Übergang zur Marktwirtschaft und in deren sozialer Ausgestaltung zu unterstützen.
2 Staaten Osteuropas im Sinne dieses Gesetzes sind die ehemals kommunistischen Länder Osteuropas sowie der ehemaligen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR).
3 Der Bund kann, im Rahmen des Beitrags der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten in der erweiterten Europäischen Union, auch Zypern und Malta unterstützen.
Art. 2 Ziele
Die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas hat folgende Ziele:
- Förderung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte sowie Aufbau und Festigung des demokratischen Systems, namentlich stabiler politischer Institutionen;
- Förderung einer auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen beruhenden nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, welche die wirtschaftliche Stabilität, die kulturelle Entwicklung, das Wachstum des Einkommens und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung begünstigt und dabei zum Schutz der Umwelt und zur rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen beiträgt.
Art. 3 Grundsätze
1 Die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas ist Teil der schweizerischen Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik. Sie beruht insbesondere auf dem Grundsatz der solidarischen Partnerschaft.