Die Verbreitung des Coronavirus versetzt die Welt in den Ausnahmezustand. Auch hierzulande ist seit Wochen nichts mehr, wie es war. Die Krise wird zum Stresstest für die Welt! Die letzten Wochen boten aber auch besten Anschauungsunterricht dafür, wie unser System und wir alle mit abnormalen Situationen umgehen. Eine subjektive, tabellarische Lageeinschätzung.
von Anian Liebrand, Publizist, Redaktor bei "Schweizerzeit" https://schweizerzeit.ch/

Im Bundesparlament warnten die SVP-Vertreter Magdalena Martullo-Blocher und Thomas Aeschi zu Beginn der März-Session als erste. Martullo-Blocher verordnete in ihrem exportorientierten Unternehmen schon früh strikte Hygienemassnahmen. So sah sie sich als Chefin in der Pflicht, mit gutem Beispiel voranzugehen und im Parlament eine Schutzmaske zu tragen. Die Ratsvorsitzende wollte es ihr untersagen, Spott und Hohn wurde über sie ergossen.
Wertewandel
Ähnlich erging es Aeschi, der Mitte März einen sofortigen Abbruch der Session forderte. Nur gerade ein Dutzend Parteifreunde folgte dem Antrag, der dem Zuger Häme und harsche Kritik seitens der Ratskollegen und des Medienmainstreams einbrachte. Heute lacht niemand mehr über die beiden «Pioniere». Eine Woche später rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» aus und die Session wurde abgebrochen.
Es ist bezeichnend, dass es Exponenten der SVP waren, die in weiser Voraussicht ein entschiedenes Vorgehen verlangt haben und von der Realität bestätigt worden sind. In Notsituationen wird den Menschen eben bewusst, was wirklich wichtig ist: Versorgungssicherheit an Lebensmitteln und Strom, sowie öffentliche Ordnung. Wohlstandsthemen geraten in den Hintergrund, beständige Werte gewinnen an Bedeutung.
Verlässliche Armee
In der Krise will Otto Normalschweizer (und Normalmigrant) halt doch nicht von einem vegan-toleranten, armeehassenden, links-grünen Gendersternchen-Geschlechtsgenossen verwaltet werden, sondern von selbstbewussten Männern, die Stärke beweisen und den Mut haben, Entscheidungen zu treffen. Beruhigend ist, dass in der coronabedingten Notlage Verlass ist auf die Armee und das grundsätzlich funktionierende Gesundheitswesen. Wo tatsächlich ein Notstand vorherrscht (infolge jahrelangem Abbau von Militärspitälern), liegt dieser in politisch motivierten Einsparungen aus der Vergangenheit begründet.
Staatsbürgerliche Verantwortung
Seit der Bundesrat am 13. März in einer denkwürdigen Medienkonferenz erstmals weitreichende Massnahmen zur Einschränkung des öffentlichen Lebens verordnete, wüten in den sozialen Medien die Besserwisser und Hinterfrager. Besonnene Staatsbürger mit Ehrgefühl lassen sich das kritische Denken zwar niemals nehmen, wissen aber instinktiv, wann die Zeit gekommen ist, persönliche Animositäten zu unterdrücken und gehorsam zu sein.
Spätestens seit dem der Bundesrat die Bevölkerung dringlich dazu aufforderte, die eigenen vier Wände nur noch wegen Arztbesuchen, Einkäufen und der Arbeit zu verlassen, veränderte sich die Volkspsyche spürbar. In den Supermärkten sind die gegenseitig verunsichernden Blicke auf die Einkaufswagen seither nicht zu übersehen. Wer händchenhaltend zum Spazieren raus geht, den überkommt bei jedem entgegenlaufenden Passanten das schlechte Gewissen. Halte ich genügend Abstand? Müsste ich jetzt nicht Zuhause sein?
«Abstand halten»
Jugendliche, die sich trotz ernster Lage noch immer ignorant in Gruppen zusammenrotten, zeigen das bereits erreichte Ausmass des Bevölkerungsanteils auf, den unsere Gesellschaft bereits unwiederbringbar an den degenerierten Untergang verloren hat. Leider strapazieren auch einige Senioren, die stur auf alle Weisungen des Bundes pfeifen und sich seelenruhig auf den Dorfplätzen breit machen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie müssen sich nicht wundern, wenn sie von wütenden Selbstständigen, deren ganze wirtschaftliche Existenz eingebrochen ist, zurechtgewiesen werden, als Risikogruppe das Haus nur in Ausnahmefällen zu verlassen. Diejenigen Senioren, die sich an die Vorgaben halten, geraten zu Unrecht unter Generalverdacht.
«Abstand halten» lautet die Prämisse dieser Tage. In solchen Zeiten braucht es keine gelangweilten Nörgler, die online nur Missmut verbreiten und gegen jede Behördenentscheidung stänkern. Vielmehr brauchen wir Menschen, die trotz allem an das Positive appellieren und sich die Lebensfreude nicht nehmen lassen. Die Zeit der Manöverkritik und der schonungslosen Konsequenz-Ziehung wird kommen müssen. Eine sich als Schicksalsgemeinschaft sehende Nation kennt aber auch die Zeit des Zusammenstehens. Viele sogenannte Wutbürger, deren Ansätze wir sonst vielfach für berechtigt halten, kennen solches Ehrgefühl nicht. Der Mangel an Tugendbewusstsein ist dabei keine Frage des Alters mehr – auch die Babyboomer haben bekanntlich nie bedeutende profilschärfende Krisen erleben müssen.
Kommt der Meinungsumschwung?
Abstand halten – warum beherzigen wir diese Leitlinie immer erst in Krisensituationen? Würden die Stärken des handlungsfähigen Nationalstaates, der seine Landesgrenzen schützt und zuerst für den Vorteil der eigenen Bevölkerung schaut (und sonst «Abstand hält»), wieder breite Beachtung finden, wäre dies eine der wenigen positiven Folgen der Coronakrise. Dass sich die gegenwärtigen Erfahrungen auf die politischen Prioritäten der Bevölkerung auswirken könnten, ist dabei durchaus realistisch. Wenn es ernst gilt, unterstützt man lieber wieder diejenigen, die in ihrer DNA seit jeher für die Werte stehen, welche die Schweiz jetzt braucht. Seien wir gespannt, ob der Meinungsumschwung der Begrenzungsinitiative der SVP bereits ein Ja sichern kann.
Krisenvorsorge
«Hamstereinkauf» hat das Potenzial, zum Unwort des Jahres gekürt zu werden. Diejenigen, die gegenwärtig in Massen Klopapier horten, sind wohl dieselben, die sonst im Ausland einkaufen und an Messen inflationär häufig nach Gratisartikeln fragen. Wer die vergangenen Jahre bei wachem Verstand war, ist sich der Bedeutung kluger Krisenvorsorge längst bewusst. In der Not überleben wir nicht mit Klopapier, sondern mit Eigenvorsorge und leicht zugänglichen, geldunabhängigen Zahlungsmitteln (Geheimtipp: Spirituosen!). Und doch sind wohl nur die allerwenigsten wirklich vorbereitet, sollte der Tag X dereinst tatsächlich ausbrechen. Denn wer hat schon eine eigene Wasserversorgung und ausreichend Dieselgeneratoren im Haus?
Der echte Supergau würde ohnehin erst eintreten, wenn die Masse durch Stromunterbrüche in Panik gerät und sich nicht mehr mit ihren Unterhaltungsgeräten ablenken kann. Oder wenn die Lastwägen wegen Benzinmangels nicht mehr fahren und deswegen die Einkaufszentren leer sind. Die Lager von Migros, Coop und Konsorten sind praktisch nur noch auf der Strasse – vielleicht ist es an der Zeit, auch diese Abhängigkeit zu korrigieren?
Von falschen Freunden
In der Not erkennst du deine Freunde: Dass Frankreich und Deutschland die Einfuhr bereits bezahlter Schutzmasken in die Schweiz blockierten, wirft ein schlechtes Licht auf die EU, die signalisiert: Kommt es drauf an, schauen wir zuerst für uns. Merken wir uns diese «unfreundlichen Gesten» und werfen wir sie in die Waagschale, wenn uns die politische Klasse demnächst wieder den EU-Rahmenvertrag schönreden will.
Erhellend ist die Erkenntnis, wie kompromisslos Staaten für sich selbst schauen, die sonst bei jeder Gelegenheit an die (finanzielle) Solidarität anderer appellieren. Um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, haben nämlich zahlreiche afrikanische und arabische Staaten strikte Einreisesperren gegen Europäer verhängt. Nur wir Schweizer warteten wochenlang mit solch logischen Schritten zu – bis uns die Nachbarländer vor beschlossene Tatsachen stellten und die Grenzen zu uns schlossen…
Apropos Viren: Ob wohl angesichts der Virenabwehrmassnahmen durch Afrika das bisherige Tabuthema an Beachtung gewinnt, dass in Europa längst ausgestorbene Krankheiten (Kretze, Cholera etc.) durch afrikanische Migranten wieder eingeschleppt worden sind? Nichts spricht dagegen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
«Kleine» unterstützen
Dass der Bund, souverän verkündet von Bundesrat Maurer, nun Instrumente geschaffen hat, um unsere KMU unkompliziert mit Geldspritzen zu versorgen, ist wohl alternativlos. Wenn schon die Grossbanken mit Milliarden gerettet werden konnten, versteht heute niemand, wenn «die Kleinen» liegen gelassen würden. Ein wichtiger Vorbehalt darf allerdings nicht unter den Tisch fallen: Es kann nicht sein, dass die vielen soliden Betriebe, die in den letzten Jahren sauber gewirtschaftet und Reserven gebildet haben, die Krisenmonate aus eigenen Mitteln überbrücken und weniger solide Preisdrücker beim Staat die hohle Hand machen können. Vertrauen wir auf Bundesrat Maurers Weitsicht, eine gerechte Lösung durchzusetzen.
Gibt es trotz aller Ungewissheiten, die diese Tage verursachen, Anlass zur Hoffnung, dass sich die Menschen vermehrt auf das Wichtige im Leben konzentrieren? Sicher – die Zuversicht dürfen wir uns durch nichts und niemanden nehmen lassen. Orientieren wir uns am Guten, nutzen wir die Zeit für möglichst Sinnvolles und lassen wir uns nie brechen. Dann gehen wir gestärkt aus der Krise hervor.