Nach dem Bericht zur Sicherheitspolitik der Schweiz vom 24. August 2021 unterbreitet der Bundesrat einen aktualisierten Bericht zur Stellungnahme. Der neue Bericht datiert vom 14. April 2021. Die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) nimmt die Möglichkeit wahr, grundsätzlich zum Entwurf Stellung zu beziehen.
Stellungnahme der
Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS)
im Rahmen der Vernehmlassung zum
Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz (Entwurf vom 14. April 2021)
Ziele der AUNS
Die 1986 gegründete, überparteiliche Organisation AUNS hat zum Ziel (Statuten Art. 2):
- Einsatz zur Wahrung der Unabhängigkeit, der Neutralität und der Sicherheit der Schweizerischen Eidgenossenschaft;
- Kampf für eine Aussenpolitik des Bundes, welche die integrale und traditionelle Neutralität respektiert und damit die Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes gewährleistet;
- Verhinderung von Aktivismus bei der Aussenpolitik und von unnötigen internationalen Engagements;
- Kampf für die direkte Demokratie der Schweizerischen Eidgenossenschaft durch Stärkung der politischen Freiheitsrechte des Volkes.
Bericht berücksichtigt aktuelle Ereignisse und Entwicklungen
Grundsätzlich können sowohl die Bedrohungslage bzw. die Bedrohungsszenarien sowie die sicherheitspolitischen Interessen (Punkt 3.2) und die sicherheitspolitischen Ziele (Punkt 3.3) unterstützt werden. Es kann festgestellt werden, dass mit Blick auf den Bericht von 2016 neue Gewichtungen vorgenommen wurden. Die aktuellen Ereignisse in Afghanistan zeigen, wie innert kürzester Zeit – nach zwanzig Jahren – und umgehend – innerhalb weniger Tage – ein Ereignis stattfinden kann, das geopolitische und geostrategische Konsequenzen auslöst und somit auch für die Schweiz relevant wird. Auch die Flutkatastrophen in Deutschland zeigen, dass nur eine gut organisierte und robust ausgerüstete Gesamtverteidigung die notwendige Wirkung erzielen kann; in Deutschland kamen verheerende Versäumnisse zu Tage.
Ungenügende Lagebeurteilung
Der vorliegende Entwurf erkennt die hohe Geschwindigkeit politischer, wirtschaftlicher, technologischer und gesellschaftlicher Entwicklungen. Trotzdem vertieft die Bedrohungsanalyse die Szenarien wenig und bleibt über weite Strecken oberflächlich. Sie vermittelt keine vertieften Analysen und entsprechende Zusammenhänge. Für die AUNS sind die entsprechenden Lagebeurteilungen deshalb ungenügend, sie bleiben vage.
Covid-Pandemie
Die AUNS erkennt den Willen des Bundesrates, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie in seine Überlegungen miteinzubeziehen. Die Covid-Pandemie hat uns mit aller Deutlichkeit gezeigt, wo und welche gravierenden Schwächen und Lücken im Sicherheitsdispositiv vorhanden sind. Zudem hat sich auf drastische Weise gezeigt, dass die Kommunikation der Landesregierung, ihr zudienender Task-Forces und Bundesstellen sowie die Koordination mit den Kantonen ungenügend waren und bleiben. Dies führt zu Verunsicherung und Unmut in der Bevölkerung, was wiederum zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung notwendiger Massnahmen zur Abwehr von Bedrohungen führen kann.
Verfassungsauftrag ist verstärkt zu beachten
Die Schweiz ist ein souveränes, eigenständiges und neutrales Land, welches direktdemokratisch organisiert ist. Der Anspruch, das Land und seine Bevölkerung gemäss Artikel 2 der Bundesverfassung in seiner Souveränität und Sicherheit zu schützen, steht im Vordergrund. Der Bericht trägt diesem Verfassungsauftrag zu wenig Rechnung.
Zwar wird nicht zuletzt aus den Covid-Pandemie-Erfahrungen erkannt, dass im Bereich Autarkie Nachholbedarf besteht. Für die AUNS ist es zentral, dass rasch und schonungslos Versäumnisse und Sorgfaltspflichtverletzungen – u.a. bei der Pflichtlagerhaltung – erkannt und korrigiert werden. Der Bericht verzichtet leider auf einen klaren Massnahmenkatalog und Zeitplan.
Landesverteidigung genügend vorbereitet?
Die AUNS ist besorgt, dass aufgrund der Covid-Erfahrungen auch im Bereich Landesverteidigung – Armee, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienst – mindestens ähnliche Schwierigkeiten bestehen. Aufgrund der europa- und geopolitischen Lage besteht nach Ansicht der AUNS dringender Handlungsbedarf.
Autarkie wird wichtiger
Eine möglichst umfassende Autarkie umfasst viele Bereiche. Nebst der wehrtechnischen Entwicklung steht für die AUNS die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern (Schutzausrüstung, Medikamente, Impfstoffe!) und besonders die digitale Datensouveränität im Vordergrund. Die Schweiz darf wichtige Daten zum Beispiel nicht in ausländischen Cloud-Diensten bewirtschaften.
Der Bericht thematisiert die Gefahr der drohenden Energieabhängigkeit vom Ausland – Elektrizität! – nicht.
Souveränität schützen
Die Reaktionen der EU auf den souveränen Entscheid der Schweiz, die Verhandlungen über ein institutionelles Abkommen abzubrechen, haben gezeigt, dass die Schweiz auch im Bereich der politischen Souveränität wachsamer und reaktionsfähiger werden muss.
Keine weitere EU-Integration
Die AUNS lehnt eine vertiefte Kooperation mit der EU im Bereich Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab. Punktuell macht eine Zusammenarbeit Sinn. Aber eine Integration souveräner Aufgaben in das EU-Recht und in die EU-Politik wird abgelehnt.
Nato-Partnerschaft überprüfen
Ebenso muss die Nato-Partnerschaft für den Frieden (PfP) aufgrund der aktuellen Nato-Politik hinterfragt werden. Eine Vertiefung ist abzulehnen.
Auslandeinsätze der Armee
Militärische Auslandseinsätze sind zu reduzieren und nur auf Operationen im humanitären Bereich und im Katastropheneinsatz zu beschränken. Auf stabilisierende Einsätze ist zu verzichten, weil sie die Gefahr bergen, in robuste Mandate – friedenserzwingende Operationen, «nation building» – überführt zu werden.
Uno-Sicherheitsrat: falscher Weg
Es ist ein fataler Fehlentscheid, die temporäre Einsitznahme im Uno-Sicherheitsrat – zwei Jahre – als mögliche Einflussplattform der neutralen Schweiz zu sehen. Das widerspricht der Erfahrung anderer Staaten und der Realität der Politik der ständigen Veto-Mächte. Das prestigeträchtige Vorhaben gewisser aussenpolitischer Vordenker ist mittelfristig eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der neutralen Schweiz und wird ihre Einflussnahme im Bereich Friedensdiplomatie und humanitäre Hilfe einschränken.
Neutralitätspolitik und Gute Dienste
Die Guten Dienste sind ein Trumpf der Schweiz, gerade in einer Zeit, in welcher sich die Machtverhältnisse europa- und weltweit verschieben und neu positionieren.
Der vorliegende Entwurf des sicherheitspolitischen Berichtes geht nicht auf die Ausgestaltung der Neutralitätspolitik ein. Diese ist aber zwingende Grundlage für eine glaubwürdige Neutralität, die wiederum ein entscheidender Pfeiler für die Souveränität und Sicherheit der Schweiz darstellt.
Bedrohung Migration: Massnahmen fehlen
Im Bereich der Migration bleibt der Bericht vage. Zwar erkennt er die Gefahren, verzichtet aber auf eine Auflistung konkreter Massnahmen. Hier verlangt die AUNS ein klar erkennbares Programm. Auf eine Unterzeichnung des Uno-Migrationspaktes muss die Schweiz verzichten. Der Pakt wird die Handlungsfähigkeit der Schweiz in der Migrationspolitik mittelfristig schwächen.
Nachrichtendienste
Die AUNS stellt mit grosser Sorge fest, dass entweder die Leistungsfähigkeit der Nachrichtendienste dramatisch abgenommen hat oder die verantwortlichen Behörden fahrlässig nachrichtendienstliche Erkenntnisse ignorieren. Die Covid-Pandemie und die jüngsten Ereignisse in Afghanistan lassen den Schluss zu, dass das zeitgerechte Erkennen von Gefahren und Krisen ungenügend ist.
Die Forderungen der AUNS
- Rasche Verbesserung bei der Erkennung von Gefahren und Krisen.
- Rasche Verbesserung der Krisenkommunikation.
- Rasche Verbesserung der Kriseninterventionskräfte: Armee, Bevölkerungsschutz, Landesversorgung, Grenzschutz.
- Rasche Umsetzung der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und eines Systems der bodengestützten Luftverteidigung grösserer Reichweite.
- Rasche Sicherstellung der Durchhaltefähigkeit der Armee im Bereich Schutz systemrelevanter Infrastruktur, im Bereich des Katastrophenschutzes und der Sicherheit der Bevölkerung.
- Rasche Sicherstellung des Schutzes der Landesgrenze.
- Rasche Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern.
- Rasche Sicherstellung der Souveränität, der direkten Demokratie der Schweiz angesichts der zunehmenden Druckversuche ausländischer Akteure, u.a. der EU.
- Verzicht auf die Einsitznahme im Uno-Sicherheitsrat.
- Verzicht auf eine weitere Integration in die EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
- Eine möglichst eigenständige Rüstungsbeschaffung.
- Verzicht auf eine Erweiterung militärischer Auslandeinsätze.
- Überprüfung der Teilnahme an der Nato-Partnerschaft für den Frieden.
- Klarstellung der Neutralitätspolitik mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der neutralen Schweiz zu stärken.
Fazit
In diesem Sinne fordert die AUNS vom Bundesrat, den Bericht zu überarbeiten. Die Aussagen, die Erkenntnisse und die Konsequenzen müssen konkreter formuliert werden. Die Umsetzung der Konsequenzen muss mittels eines Massnahmen- und Zeitplanes rasch sichergestellt werden.
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Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS)
Bern, 18. August 2021