Die AUNS ist überzeugt, dass der Bundesrat alles unternehmen wird, das Personenfreizügigkeits- abkommen mit der EU (FZA) nicht in Frage stellen zu lassen und mit seinen Vorschlägen für einen direkten Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative eine Chance sieht, die Freizügigkeit und die EU-Anbindung auf Verfassungsebene zu festigen. Dieser Irrweg muss mit einer neuen Volksinitiative korrigiert werden. Deshalb lehnt die AUNS die Gegenvorschläge des Bundesrates in der Vernehmlassung ab.
Stellungnahme der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) im Rahmen der Vernehmlassung zum direkten Gegenentwurf zur Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf die Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten»
Ausgangslage
- Die Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf die Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten» (Rasa-Initiative) will die Ergebnisse der Abstimmung vom 9. Februar 2014 rückgängig machen und die Zuwanderungsbestimmungen (Art. 121a BV und Art. 197 Ziff. 11 BV) ersatzlos aus der Verfassung streichen. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und hat sich für einen direkten Gegenentwurf ausgesprochen.
- Das Parlament hat am 16. Dezember 2016 beschlossen, die Forderungen gemäss Wortlaut des Art. 121a BV und der 197 Ziff. 11 BV nicht umzusetzen.
Rasa-Initiative
- Die AUNS lehnt die Volksinitiative «Raus aus der Sackgasse! Verzicht auf die Wiedereinführung von Zuwanderungskontingenten»ab und wird aktiv mit der Nein-Parole in den Abstimmungskampf eingreifen.
- Die AUNS teilt die Beurteilung des Bundesrates, dass der Entscheid von Volk und Ständen vom 9. Februar 2014 nicht einfach innert kurzer Zeit rückgängig gemacht werden darf. Eine solche Handstreich-Politik überginge die sachlichen Anliegen des Volkes und der Stände und würde das hohe Gut der direkten Demokratie ins Abseits führen.
Direkter Gegenvorschlag
Der Bundesrat lehnt die Rasa-Initiative ab, will aber einen direkten Gegenentwurf zur Abstimmung bringen. Er unterbreitet in der Vernehmlassung zwei Varianten.
Variante 1:
Art. 121a BV Steuerung der Zuwanderung
4 Bei der Steuerung der Zuwanderung werden völkerrechtliche Verträge berücksichtigt, die von grosser Tragweite für die Stellung der Schweiz in Europa sind.
5 Aufgehoben
Art. 197 Ziff. 11 BV Übergangsbestimmung zu Art. 121a (Steuerung der Zuwanderung)
Aufgehoben.
Die AUNS lehnt diese Variante ab. Der Bundesrat beabsichtigt mit der Variante 1, völkerrechtliche Verträge, internationales Recht und internationale Gerichtsbarkeit über die Bundesverfassung zu stellen. Es geht darum, das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU unangetastet zu lassen. Dies hat zur Folge, dass die Zuwanderung nicht eigenständig gesteuert werden kann. Zudem wird die Schweiz weiter an die EU-Institutionen angebunden. Die Variante hat zur Folge, dass die Personenfreizügigkeit als übergeordnetes Recht unantastbar bleibt und die direkte Demokratie ausgehebelt wird.
Variante 2
Art. 197 Ziff. 11 BV Übergangsbestimmung zu Art. 121a (Steuerung der Zuwanderung) Aufgehoben
Die Variante 2 verzichtet auf die Umsetzungsfristen laut Art. 197 Ziff. 11 BV. Der Bundesrat beabsichtigt, die Entwicklung der Personenfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union zu beobachten. Er geht offenbar davon aus, dass das Prinzip Freizügigkeit in der EU ebenfalls zur Diskussion gestellt ist und Anpassungen mit Blick auf eine Umsetzung von Art. 121a BV mit der EU möglich sein könnte.
Die AUNS lehnt die Variante 2 ab. Im Gegensatz zur Variante 1 bleiben zwar die Kernforderungen der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 bestehen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass der Bundesrat lediglich Zeit gewinnen will mit der Absicht, die EU-Anbindung (Rahmenabkommen, weitere bilaterale Abkommen) mit einer «beruhigten EU» (stabile Beziehungen mit der EU) rasch vorantreiben zu können.
Der Bundesrat macht die Umsetzung von Art. 121a BV von der Entwicklung in der EU abhängig («wenn sich die Ausgangslage in der EU bezüglich des FZA zukünftig ändern sollte»). Dies widerspricht der Forderung der Abstimmung vom 9. Februar 2014, die Zuwanderung rasch wieder eigenständig zu steuern.
Grundsätzliche Haltung des Bundesrates
- Die AUNS lehnt die EU-Politik des Bundesrates grundsätzlich ab. In seinen Erläuterungen zur Vernehmlassung baut er eine Drohkulisse auf, mit der Kündigung des FZA würden nicht nur die anderen sechs Abkommen der Bilateralen 1 («Guillotineklausel»), sondern weitere Abkommen, die von der EU – willkürlich – thematisch mit der Freizügigkeit in Verbindung gebracht werden können, von der EU gekündigt würden (Schengen/Dublin). Zudem bezeichnet er das FZA als Voraussetzung für den Freihandel mit der EU. Diese Betrachtungsweise hält einer objektiven Beurteilung nicht stand und untermauert die schwache souveränitätspolitische Haltung der Landesregierung.
- Der Bundesrat argumentiert weiter, das Schweizer Volk habe sich mehrmals zu den Bilateralen positiv geäussert, deshalb sei das FZA grundsätzlich nicht in Frage zu stellen. Das Schweizer Volk hat sich für den bilateralen Weg entschieden, weil es nicht der EU beitreten will. Am 6. Dezember 1992 haben die schweizerischen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt. Die Schweiz hat damit nicht nur Nein zur institutionellen EU-(EG)-Anbindung gesagt, sondern auch Nein zur Personenfreizügigkeit (vier Freiheiten). In Missachtung dieses Volkswillens haben die Behörden die Freizügigkeit ausgehandelt und mit einer souveränitätsverletzenden Guillotineklausel verknüpft. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger konnten über das Prinzip Personenfreizügigkeit nur in Form eines Paketes abstimmen, das mit Drohungen (kein Marktzutritt, Verlust Arbeitsplätze usw.) und mit massiv falschen Annahmen zur Netto-Einwanderung dem Stimmvolk abgerungen worden ist. Das Vorgehen war undemokratisch.
- Mit über 60‘000 Personen im vergangenen Jahr ist die Netto-Zuwanderung immer noch zu gross. Deshalb fordert die AUNS weiterhin die Umsetzung des Art. 121a BV und Art. 197 Ziff. 11 BV. Die vom Parlament am 16. Dezember 2016 beschlossene Gesetzesänderung zur Umsetzung ist für die AUNS gegenstandslos. Deshalb wird sie eine eidgenössische Volksinitiative zur Beseitigung des Prinzips der Personenfreizügigkeit lancieren.
- Wenn es dem Bundesrat mit den «demokratiepolitischen Gründen» (seine Argumentation zur Ablehnung der Rasa-Initiative) ernst ist, sorgt er dafür, dass die Zuwanderung wieder eigenständig von der Schweiz gesteuert werden kann, auch wenn dies zu Konfliktsituationen mit der EU führt.
- Die AUNS ist überzeugt, dass der Bundesrat alles unternehmen wird, das FZA nicht in Frage stellen zu lassen und mit dem Mittel des direkten Gegenvorschlages eine Chance sieht, die Freizügigkeit und die EU-Anbindung auf Verfassungsebene zu festigen. Dieser Irrweg muss mit einer neuen Volksinitiative korrigiert werden.
AUNS, 28. Februar 2017