Was ist das, Neutralität? Die Schweiz ist in Gefahr, die Antwort zu vergessen. Hier die Erklärung von Journalist und Verleger Roger Köppel, in seinem Referat am Festanlass «200 Jahre völkerrechtliche Neutralität».
Köppels Rede schlug den Bogen von den historischen Zusammenhängen (Christoph Mörgeli) zur Gegenwart.
«Es kann doch nicht sein, dass wir Schweizer uns dauernd entschuldigen müssen für unsere Neutralität», begann Köppel seine Ausführungen, die er mit einer Episode an der Uni St. Gallen würzte. Er zeigte auf, was denn Neutralität eigentlich ist. «Zum Beispiel eben, keinen Krieg anzufangen.» (Das war die Antwort an den deutschen Studenten in St. Gallen, der die Neutralität der Schweiz scharf kritisierte und von Köppel bitteschön erklärt haben wollte, was denn deren Wesen sei.)
Viele Schweizer wüssten gar nicht mehr, was Neutralität ist. Auch «Eliten» wie Diplomaten (Guldimann Berlin) oder Chefredaktoren (Strehle, Tages-Anzeiger) machten sehr seltsame Äusserungen zur Neutralität. Köppel: «Man muss den Schweizern das Wesen der Neutralität wieder neu erklären.»
«Neutralität heisst: Der Neutrale beginnt keinen Krieg und geht keine Bündnisse ein, durch die er in einen Krieg verstrickt wird.» – «In Kriegszeiten zeigt der Neutrale: Friede ist möglich. In Friedenszeiten warnt der Neutrale: Krieg ist möglich.» – «Neutralität braucht Standfestigkeit und Charakterstärke. Man ist nicht beliebt, wenn man neutral ist.»
In der Umsetzung, der Neutralitätspolitik, könne man nicht nur dann, wenns grad bequem ist, neutral sein. «Es ist eine immerwährende Neutralität», so Köppel. Diskussionslos.
Dass Bundesbern heutzutage bei fast jeder Regung irgendwo dieser Welt meint, ein Memorandum veröffentlichen zu müssen, sei eben nicht Neutralität. Besser: «Still sitzen!»
Und dabei eine starke Armee haben – «das ist essentiell. Nur so kann die Neutralität behauptet werden», so Köppel.
Notabene sei eine solche Haltung sehr wohl weltoffen. «Die Schweiz existiert in einer Dauerabhängigkeit von aussen. Wir haben Handelsbeziehungen mit allen, eine wirtschaftliche Weltoffenheit.» Der Rahmen dazu sei eben Neutralität, gleichsam ein Instrument der Weltoffenheit.
«Die Neutralität sei damals nötig gewesen als Puffer zwischen Machtblöcken, sagt man. Es braucht sie aber heute mehr denn je, auch wenn die EU sie immer weniger beachtet. Die EU ist ja auch kein Friedensprojekt mehr.»