Ganz Europa (also lange nicht nur die EU) schaut momentan nach Grossbritannien. Premier Cameron will von seinen Bürgern wissen, ob sie die EU verlassen wollen. Es ärgert ihn wohl, dass er gefragt hat. Er und seine Freunde in Londons Verwaltungs- und Bankerbüros wollen in der EU bleiben.
Cameron meinte wohl, seine Untertanen wollen auch bleiben, aber er frage sie halt mal. Mit dem Referendum könne er diese ärgerliche UKIP und andere Kräfte, die sich gegen den EU-Koloss wehren, in die Schranken weisen.
Es könnte gut anders kommen. So, dass Cameron von seinem Volk in die Schranken gewiesen wird. Und so, dass die Briten dem EU-Einheitsbrei für ihr Land die Schranken weisen.
Boris Johnson, Ex-Stadtpräsident von London, ist die Gallionsfigur der Briten geworden, die den Ausstieg aus der EU wollen. Es gibt grosse Kampagnen, die den Brexit vorantreiben, u.a. Vote Leave | Leave.EU
Beide Seiten – Cameron und Johnson – legen sich nun Woche für Woche mehr ins Zeug, um die britischen Stimmbürger mit ihren Argumenten zu überzeugen.
Es ist klar: «Leave EU» oder «Vote Leave» haben die besten Argumente.
Zu den EU-Befürwortern: Sie sagen allgemein, die EU habe zwar viele Fehler («Crap»), aber man habe gar keine Wahl, da nicht mehr mitzumachen. Die meisten Briten lachen dazu; oft sehr verbittert.
«Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen müssen wir drin bleiben»: Die Regierung rechnet dem Volk auf viele Jahre in die Zukunft vor, wieviel Geld (aufs Pound genau) jeder Haushalt weniger haben werde nach einem Brexit. Sie erntet aber sofort viel Hohn, weil sie ihren eigenen Haushalt ja kaum auf wenige Jahre hinaus im Griff habe und somit kaum glaubwürdig rechnen könne.
EU-Befürworter Cameron wiederholte auch das immer gehörte Lied, dass nur eine Organisation wie die EU Stabilität und Frieden bringen könne.
Boris Johnson erwidert: «Ich bin nicht sicher, ob der Premier wirklich glauben kann, dass unser Austritt aus der EU die Gefahr für einen allfälligen neuen Krieg erhöhen würde.» Johnson meinte, dass – wenn schon – die antidemokratische Struktur der EU zu mehr politischer Instabilität führe.
Johnson wehrte sich vehement dagegen, dass man die EU-Gegner als «engstirnig, anti-europäisch und nicht zukunftsgerichtet» abstemple. Es sei ein Mythos, dass man nicht gleichzeitig liberaler Weltbürger und für den Austritt aus der EU sein könne. «Ich kann französische Novellen lesen und die deutsche ‹Ode an die Freude› singen», sagte er und sang los, als er meinte, das Publikum glaube ihm nicht.
«Darum finde ich es einen Affront, eine Beleidigung, irrelevant und schlicht dumm, wenn mir jemand – der vielleicht sogar keine einzige Fremdsprache spricht – erzählt, ich gehöre einer Gruppe kleingeistiger Fremdenfeinde an.»
«Die Wahrheit ist: Der Austritt aus der EU ist das grosse Projekt des europäischen Liberalismus.»
Quelle: Wall Street Journal, 10.5.16: «London’s Ex-Mayor Mocks Cameron over EU»