Vier Jahre war Michael Schoenenberger Inland-Chef der NZZ. In seinem letzten Kommentar denkt er über die Essenz der Schweiz nach, u.a. über Freiheit, Neutralität, direkte Demokratie.
«Die berühmten ‹Erfolgsfaktoren› der Schweiz» könne man schon in «so etwas wie einem Gerüst» zusammentragen.
Es seien zum einen die Leistungen und Entbehrungen früherer Generationen.
Dann «der Aufbau des Staates, der dezentrale Entscheidungen gestattet und den Kantonen die Hauptrolle vergibt.» Föderalismus und Subsidiarität (also Lösungen möglichst nah dort zu erarbeiten, wo die Probleme entstehen) seien auch ein Erfolgsfaktor. Besonders in einem Land wie der Schweiz, mit den vielen Mentalitäten und Sprachen, werde so «Bürgernähe und lösungsorientierte Kompetenz vor Ort» behalten.
Weiter zählt Schoenenberger die direkte Demokratie als entscheidend auf: «Auf allen Staatsebenen, von der Gemeinde bis zum Bund, sichert sie eine direkte Mitbestimmung. Das ist effektive, einfache Kontrolle der Macht, von Staat und Politik.»
Wenn nun zuviel Recht, Verantwortung und Entscheidungsgewalt in die EU delegiert werde, sei dies für die Schweiz gravierender als für andere Länder. Es sei für die Schweiz existentiell, es gehe um «Fragen der staatlichen Legitimation. Es ist nicht einerlei, wo und von wem Recht gesprochen wird.»
Auch die Neutralität, mit der in Bern ja momentan herumgespielt wird (Schweiz im UNO-Sicherheitsrat?), spricht Schoenenberger an.
«Neutralität nicht verstanden als aussenpolitisches ‹Eunuchentum›, sehr wohl aber als selbstreferenzieller Akt und konstituierendes Element.» Die Schweiz im UNO-Sicherheitsrat würde schwierige bis unlösbare Fragen aufwerfen, «zumindest jedoch sehr unangenehme Positionsbezüge nach sich ziehen, die mit dem bisherigen Neutralitätsverständnis kaum zu vereinbaren sein werden.»
Schoenenbergers Abschluss des Artikels ist ein Aufruf, den Wert der Freiheit nicht zu vergessen. Diese Zeilen müssten in jedem Schulbuch über den Kern der Schweiz als Vorwort stehen…:
«Es geht um die Freiheit in vielen Facetten, verstanden als umfassendes Konstrukt, nicht nur als Toleranz, sondern als Freiheit in der Form von Abwesenheit jeglichen Zwanges. Freiheit im Handeln, Denken, Sagen, Schreiben. Versammlungsfreiheit. Religions- und Gewissensfreiheit. Freiheit, zu erwirtschaften. Freiheit, zu besitzen. Freiheit, zu geben. Freiheit, zu scheitern.
Der Staat beschäftigt Menschen, deren Aufgabe es einzig ist, sich zu überlegen, wie die Gesellschaft in irgendeiner Weise zu steuern wäre. Stets wird dies legitimiert mit dem ‹guten, übergeordneten› Zweck. Wer aber definiert diesen?
Bevormundete Gesellschaft, gesteuerte Wirtschaft, autoritär handelnder Staat? Nein, solches zählt mit Sicherheit nicht zu den ‹Erfolgsfaktoren› der Schweiz. Es ist an der Zeit, dass die Freunde der Freiheit wieder vehement für sie einstehen und kämpfen.»
Fast schade, wechselt Schoenenberger von der NZZ in eine PR-Agentur…