«Ich glaube, dass wir keine andere Wahl haben, als diese glasklare Botschaft zu übermitteln, dass das Rahmenabkommen in vorliegender Form das letzte Angebot ist.» (Übersetzter Auszug aus einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker)
Am 7. Juni 2019 hat der Bundesrat der EU-Kommission mitgeteilt, dass drei Fragen das Rahmenabkommen betreffend geklärt werden müssten: Lohnschutz, staatliche Beihilfen und Unionsbürgerrichtlinie.
Die EU-Kommission stellte der Schweiz das Ultimatum, die Fragen müssten innert wenigen Tagen geklärt sein. Am 18. Juni 2019 entscheide die Kommission, wie es weitergehen wird und ob die Anerkennung der Schweizer Börse im EU-Raum fortgesetzt werde.
Der EU-Kommissar für Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, der Österreicher Johannes Hahn, konnte an der Sitzung der EU-Kommission nicht teilnehmen. In seinem Brief an EU-Kommissionspräsident Juncker urteilt er über die Schweiz und empfiehlt eine harte Linie. Das Schreiben ist geprägt von Hässigkeit, fragwürdigen Unterstellungen, haltlosen Verknüpfungen (u.a. mit Brexit) und fehlender Kenntnis über die Schweizer Demokratie. Der Ton den Schreibens zeigt, welcher Geist in dieser EU-Behörde herrscht.
Wir haben den in Englisch geschriebenen Hahn-Brief an Juncker ins Deutsche übersetzen lassen.
Der Brief Hahns in Originalsprache: Englisch:
Der Brief Hahns in deutscher Übersetzung (übersetzt im Auftrag der AUNS):
JOHANNES HAHN
MITGLIED DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION
Brüssel, 17. Juni 2019
Sehr geehrter Herr Präsident (Kommissionspräsident Juncker ist angesprochen. Anm. AUNS)
Leider ist es mir nicht möglich, diese Woche an der Sitzung des Kollegiums teilzunehmen, da ich die Kommission im Rat «Allgemeine Angelegenheiten» in Luxemburg bei der Debatte um das jährliche Erweiterungspaket vertreten werde. Daher lege ich meine Einschätzungen zum Dossier Schweiz dar, und zwar zusätzlich zum Informationsvermerk, der den Stand der Dinge vollständig wiedergibt.
Aufbauend auf Ihr grosses persönliches Engagement während dieser Mandatsperiode hatte ich allein im Jahr 2018 ein Dutzend Mal politischen Kontakt mit meinem Schweizer Amtskollegen, Bundesrat Cassis. Auf Grundlage der unermüdlichen Vorarbeit unserer technischen Verhandlungsführer einigten wir uns Ende November des vergangenen Jahres auf einen endgültigen Text für einen Entwurf für ein institutionelles Rahmenabkommen (IA), vorbehaltlich einer internen «Konsultation» durch Interessengruppen in der Schweiz in den ersten Monaten des Jahres 2019.
Wie Sie wissen, ist die Schweiz eine der Hauptnutzniesserinnen des EU-Binnenmarkts, dank der grossen Zahl an bilateralen sektoriellen Abkommen. Allerdings ist diese für beide Seiten vorteilhafte Situation einer immer grösseren Belastung ausgesetzt. Der IA-Entwurf, der die wichtigsten und alle künftigen Marktzugangsvereinbarungen abdeckt, geht auf die ernsthaften Bedenken ein, die die EU-Institutionen seit vielen Jahren geltend machen: Die unzureichende Übernahme und die selektive Anwendung unseres sich entwickelnden «Besitzstandes» durch die Schweizer Behörden. Dies hatte folgende Konsequenzen: Einseitige Wettbewerbsbedingungen und regelrechte Diskriminierung unserer Unternehmen, das Fehlen klarer Bestimmungen und Durchsetzungsverfahren für staatliche Beihilfen sowie ein völlig unzureichendes Streitschlichtungssystem, das die Rechtssicherheit beeinträchtigt.
Gleichzeitig kommt das IA den innenpolitischen Befindlichkeiten der Schweiz stark entgegen, auch bei den sogenannten «flankierenden Massnahmen» des Sozialschutzes. Anders ausgedrückt: Es handelt sich dabei um einen tragfähigen und nachhaltigen Kompromiss, auf dessen Grundlage unser bilateraler Weg fortgesetzt werden könnte. Ich bin dankbar für die konstruktive Haltung aller beteiligten Kommissionsmitglieder und ihrer Teams, allen voran Marianne Thijssen, Margrethe Vestager und Vera Jourova.
Leider kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Schweizer Regierung seit unserer politischen Vereinbarung im letzten Jahr auf Zeit gespielt hat. Sie ist nicht bereit, vor den nationalen Wahlen im Oktober 2019 verbindliche Zusagen zu machen. Obwohl die interne Konsultation im Frühling recht konstruktiv war, hat der Bundesrat das Rahmenabkommen nicht wie vereinbart klar gebilligt (geschweige denn dem Nationalrat vorgelegt). Vielmehr hat der Bundesrat weitere «Klarstellungen» gefordert. Es handelt sich dabei nicht um harmlose Anfragen, sondern sie laufen auf eine Öffnung des Abkommens in Bezug auf wichtige Aspekte (staatliche Beihilfen, Personenfreizügigkeit und diskriminierende flankierende Massnahmen) hinaus. Trotz unserer Bereitschaft, schnell und in schriftlicher Form zielgerichtete klärende Angaben zu machen, bringt sich die Regierung nicht ernsthaft ein. Im Gegenteil: Sie plant weitere, nicht näher konkretisierte interne «Konsultationen», statt hart an der Inlandfront zu arbeiten.
Sie erinnern sich vielleicht, dass das Kollegium Ende letzten Jahres eine begrenzte, halbjährliche Verlängerung der Börsenäquivalenz für die Schweiz beschlossen hat. Diese Verlängerung läuft im Juni 2019 aus. Gerade dies sollte einen zusätzlichen, sichtbaren und hochsymbolischen Anreiz für Bern darstellen, seine Konsultationen schnell zu Ende zu führen, sich hinter den Abkommensentwurf zu stellen und diesen noch während unserer Amtszeit zu unterzeichnen.
Ich komme zum Schluss, dass die von der Schweiz in den vergangenen Monaten unternommenen Schritte in dieser Hinsicht eindeutig ungenügend sind. Der erforderliche politische Wille, den wir sehen müssten, ist nicht gegeben. So, wie die Dinge zum Zeitpunkt dieses Schreibens stehen, gibt es meiner Meinung nach für das Kollegium keinen ausreichenden Grund, eine weitere Verlängerung vorzuschlagen. Tatsächlich könnte das Auslaufen der Börsenäquivalenz der Warnschuss sein, den die Schweiz benötigt. Wir müssen natürlich ergänzen, dass wir bereit sind, darauf zurückzukommen, wenn sich Bern glaubwürdig und dauerhaft zum Abkommen bekennt. Durch meine Kontakte im Finanzsektor ist mir bewusst, dass das Auslaufen der Börsenäquivalenz keine grössere Störung des Finanzplatzes verursachen wird, da der Sektor sich bereits auf dieses Szenario vorbereitet hat.
Wir können weitere Verzögerungen und eine Verwässerung der internen Marktregeln nicht einfach hinnehmen, besonders nicht während einer voraussichtlich entscheidenden Phase des Brexits. Kurz gesagt: Ich glaube, dass wir keine andere Wahl haben, als diese glasklare Botschaft zu übermitteln, dass das Rahmenabkommen in vorliegender Form das letzte Angebot ist und dass wir ein gemeinsames Interesse daran haben, auf dieser Basis voranzukommen.
Freundliche Grüsse
[Unterschrift] Johannes Hahn
[Empfänger]
Jean-Claude Juncker
Präsident der Europäischen Kommission
Berl 13/057
Kopie:Herrn Martin Selmayr, Generalsekretär
Frau Clara Martinez Alberola, Kabinettschefin des Präsidenten