Unter dem sperrigen Namen «progresuisse» haben sich wieder einmal EU-befürwortende «Persönlichkeiten» versammelt; darunter viele altbekannte EU-Turbos ...
Nehmen wir mal ihre Argumente für das EU-Rahmenabkommen unter die Lupe, welche im aktuellen «progresuisse»-Newsletter kommuniziert werden:
Quelle: Newsletter «progresuisse» vom 31. März 2021: Eine starke Stimme für den Rahmenvertrag. Zum Erhalt der Bilateralen.
Die Behauptungen und Lügen der EU-Turbos.
Wieso braucht es ein Rahmenabkommen?
Das Rahmenabkommen sichert den bilateralen Weg und damit letztlich die Positionierung des Schweizer Wirtschaftsstandortes in Europa. Ohne Abkommen erodieren die bestehenden Verträge. Das wird kein lauter Knall sein, sondern eine schleichende Verschlechterung des Standortes Schweiz.
AUNS: Reine Behauptung. Wenn sinnvoll und im Interesse der Schweiz, können einzelne bilaterale Abkommen ergänzt werden. Dafür braucht es nicht ein «Giesskannenprinzip», dass uns unter Androhung von Sanktionen und Kündigung des Zutritts zum EU-Binnenmarkt zwingt, massenweise und undemokratisch EU-Recht zu übernehmen.
Behauptung: «Wir verlieren unsere Souveränität, wenn wir automatisch EU-Recht übernehmen»
Schon jetzt übernehmen wir in den Bereichen, die durch die Bilateralen Verträge abgedeckt sind, EU-Recht. Dies passiert aber nicht automatisch, wie von den Gegnern behauptet, sondern dynamisch. Auch künftig erfordert jede Übernahme von EU-Recht einen selbstständigen Entscheid der Schweiz gemäss den dafür üblichen innerstaatlichen Verfahren. Beim Rahmenvertrag geht es in erster Linie um gleich lange Spiesse bei der Rechtsauslegung in Streitfällen über Binnenmarktrecht. Bis anhin gab es den Rechtsweg nicht, sondern politische Druckversuche auf die Schweiz. Wir verlieren nicht an Souveränität, sondern gewinnen Rechtssicherheit.
AUNS: Irreführung. Dynamisch heisst nichts anderes, als dass die Schweiz von der EU die «Möglichkeit» erhält, während einer bestimmten Zeit ein Gesetzesreferendum gegen eine EU-Norm zu ergreifen. Aber dann ist fertig mit Dynamik. Wir kennen das Prozedere aus der Vergangenheit. Wenn die Schweiz und besonders die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum Beispiel eine EU-Richtlinie ablehnen, drohen Sanktionen (Ausgleichsmassnahmen). Wir sind sogar erpressbar: Eine Super-Guillotineklausel (Art. 22 des Entwurfs) tritt in Kraft, welche sämtliche EU-Binnenmarkt-Zugangsabkommen (auch das Freihandelsabkommen von 1992!) einseitig kündigt, wenn die Schweiz nicht spurt. Faktisch kommt das einer Zwangsübernahme von fremdem Recht gleich. Zur Kolonie ist kein weiter Weg mehr.
Behauptung: «Mit dem Rahmenabkommen sind wir unter der Fuchtel von Brüssel!»
Das ist Angstmacherei und hat nichts mit den Fakten zu tun: Es sind nur fünf Marktzugangsabkommen betroffen. Die Schweiz verfügt über 120 bilaterale Verträge mit der EU. Das Rahmenabkommen betrifft lediglich jene fünf Verträge, welche die Teilnahme der Schweiz am europäischen Binnenmarkt regeln. Konkret verpflichtet es die Schweiz, Weiterentwicklungen des EU-Rechts innerhalb dieser fünf Abkommen künftig zu übernehmen.
AUNS: Lüge. Im Moment geht es tatsächlich um fünf Abkommen, die aber wichtige politische Bereiche betreffen: Personenfreizügigkeit, Landverkehr, Luftverkehr, technische Handelshemmnisse/MRA und Landwirtschaft. Aber alle zukünftigen EU-binnenmarktrelevanten Abkommen fallen automatisch unter das Regime des Rahmenabkommens: Energie-(«Strom»-)Abkommen, Dienstleistungsabkommen. In einem Protokoll zum Entwurf des Rahmenabkommens ist die Absicht definiert, auch das Freihandelsabkommen von 1972 dem Rahmenabkommen zu unterstellen. Dieses grundsätzliche Abkommen wäre in Folge auch von der Guillotineklausel erfasst. Das heisst, wir sind der EU-Kommission und den EU-Richtern definitiv ausgeliefert. Die direkte Demokratie hat keine Bedeutung mehr.
Behauptung: «Die Bilateralen können auch ohne Rahmenabkommen weiterentwickelt werden, ein Rahmenabkommen braucht es nicht.»
Die Bilateralen haben nur eine Zukunft mit einem Rahmenabkommen. Bei einem Abbruch der Verhandlungen hat die Schweiz deshalb viel zu verlieren, weil es zu einer Erosion des bestehenden Marktzugangs führen würde. Es geht um die Verhandlungen in den sektoriellen Dossiers wie Strom, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Zu erwarten sind ebenfalls Rechtsunsicherheiten bei der regelmässigen Aktualisierung bestehender Marktzugangsabkommen (bspw. beim Abkommen über den Abbau technischer Handelshemmnisse). Zudem besteht das Risiko, dass kein Abkommen über die Teilnahme der Schweiz am nächsten EU-Forschungsrahmenprogramm ab 2021 abgeschlossen werden kann. Ebenfalls könnten die Verhandlungen über folgende Bereiche beeinträchtigt werden: Kabotage-Rechte im Luftverkehr, Beteiligung der Schweiz am ERA (EU Agency for Railways), Beteiligung am öffentlich regulierten Dienst (PRS) sowie an der Agentur des Global Satellite Navigation System (GSA, Galileo) sowie Medien/Kultur.
AUNS: Behauptung. Die Schweiz und die EU haben Interessen. Auch gemeisame. Der bilaterale Weg wird weitergehen. Das Rahmenabkommen wird aber den bilateralen Weg verhindern, weil die EU massiv Einfluss auf unsere Demokratie, Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit erhält. Wir verlieren die «zweiseitige» (bilaterale) Zusammenarbeit unter Partnern.
Im Moment tut sich die EU schwer, europäische Länder, die sich nicht Brüssel unterstellen, als europäische Partner zu akzeptieren. Die EU ist unter Druck: Brexit, Polen, Ungarn, Impfstrategie, China, USA usw. Dieser EU-Stress spürt auch die Schweiz. Brüssel schikaniert die Schweiz politisch: Ausschluss vom Forschungsprogramm «Horizon», Börsenanerkennung. Die blinden Befürworter des Rahmenabkommens verkennen auch, dass die Schweiz viele Beiträge an Europa leistet: 1.4 Mio. EU-Personen leben und zusätzlich über 310'000 EU-Grenzgänger arbeiten in der Schweiz, Alpentransversale, Forschungsplatz, Zahlungen an Satellitennavigation «Galileo» usw. Vergessen wir nicht, dass die blinden und unkritischen Befürworter des Rahmenabkommens den EU-Beitritt der Schweiz wollen. Ihre Forderung «Für die Weiterführung der erfolgreichen Bilateralen» ist reine Propaganda. Ihnen ist jeder Schritt – auch wenn er die Schweiz schwerwiegend benachteiligt – willkommen. Sie sind auch nicht in der Lage, die Souveränität und die Stärken unseres Landes zu erkennen und in Brüssel erfolgreich zu vertreten – im Interesse eines starken Europas ohne EU-Zwang.
Fazit:
Nichts Neues am CH-EU-Himmel. Die altbekannten EU-Turbos zeichnen wieder mal das altbekannte Untergangsszenario, wenn die Schweiz nicht übernimmt, was die EU will. Angstmacherei, Drohung und Erpressung sind ihre Instrumente. Das vorliegende EU-Rahmenabkommen ist falsch, ungenügend, demokratie- und wirtschaftsfeindlich, unschweizerisch.
Werner Gartenmann, AUNS-Geschäftsführer