Der BBC-Journalist Adam Fleming hat sich eine Tabelle des Brexit-Unterhändlers in Brüssel gefischt, auf der auch die Haltung der EU zur Schweiz gelistet ist. Die Basler Zeitung BaZ hat sich diese genauer angesehen.
In Sachen Streitfälle und Rechtssprechung steht im Feld «Schweiz» folgendes: «Voluntary incorporation in accordance with individual agreements. Institutional framework («facilitation») agreement under negotiation which would provide für ECJ jurisdiction in relation to Union law.» (ECJ = European Court of Justice = Europäischer Gerichtshof EuGH).
Unser Übersetzungs-Versuch: «Freiwillige Eingliederung nach individuellen Vereinbarungen. Institutionelle Rahmenvereinbarung («Erleichterung») in Verhandlung, die eine Zuständigkeit des EuGH für EU-Recht vorsieht.»
Hier stehts, Schwarz auf Gelb: Unter dem Rahmenvertrag urteilt die EU in Streitfällen, mit der eigenen Gerichtbarkeit (EuGH), endgültig. Dies auch, wenn Bundesbern und andere EU-Freunde den Rahmenvertrag nun «Koordinations- / Konsolidierungsabkommen» nennen.
In der Schweiz erklärten Burkhalter & Co. in Sachen fremde Richter: Nein-Neeeein, das EU-Gericht hat nicht das letzte Wort; die Schweiz kann sagen, wenn sie nicht einverstanden ist; dann kann die EU «Ausgleichsmassnahmen» bestimmen.
Ja was denn nun? Die mündliche Vernebelung Burkhalters oder das Blatt auf dem Pult des britischen Unterhändlers in Brüssel?
Wohl eher das Blatt Papier. Lieber Bundesrat, bitte beenden Sie das Werfen von Nebelpetarden!
Bundesrat Ignazio Cassis ist in diesen Wochen hoffentlich dran, «zurück auf Feld eins» zu gehen. Und ab jetzt vom Gleichen zu reden.
Nicht nur in Sachen EU-Gerichtsbarkeit. Sondern auch bei den vier Grundfreiheiten: Was in der gleichen Tabelle zum freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Personen steht, ist der BaZ auch negativ aufgefallen.
Was diesbezüglich auf dieser Tabelle steht, ist nicht das, was Bundesrat Didier Burkhalter plus FDP-SP-Geklüngel der Schweiz immer wieder erzählt hat, nämlich, dass alle vier Punkte fix zusammengeklebt seien, «unverhandelbar» und absolut.
Die Tabelle auf dem EU-Tisch sagt: Nur Personenfreizügigkeit ist vollständig umgesetzt, die anderen drei hätten Einschränkungen.
Wir können hier nicht Tabellen-Detektiv spielen (woher kommt diese Tabelle genau?), haben aber wieder mal den Verdacht auf die typischen Burkhalter-Nebelpetarden. Ein Volk anlügen, so kann man dem auch sagen.
Burkhalters Nachfolger Igazio Cassis beteuerte vor seiner Wahl, er sei gegen das Rahmenabkommen. Schafft ers, hier wirklich den «Reset»-Knopf zu drücken?
Basler Zeitung: «Den EU-Richtern unterworfen»
This is the document @MichelBarnier had in front of him yesterday. Comparison of EU/EEA/WTO etc pic.twitter.com/IZ8Pk59zgP
— Adam Fleming (@adamfleming) October 17, 2017