Eine brillante Polemik von Dirk Schümer in der deutschen «Welt» über die eigentlich gute Idee eines friedlichen Miteinanders, die aber zum Slapstick verkommt.
Alles sollte besser werden mit dieser Idee eines Miteinanders in Europa. Man baute es auf den Trümmern von 1945 auf. Man hatte genug vom Krieg, von Kriegen. «Statt Napoleon, Bismarck oder Hitler gab es nun milde, weise und vor allem katholische Politveteranen wie Adenauer, De Gaulle, De Gasperi, die alle zwischenstaatlichen Probleme im Gemurmel undurchschaubarer Kommissionen auflösten. Die Nachtsitzungen über Milchquoten, Butterberge, Fischereirechte wurden so ebenso zum Ritual des neuen Europa wie der Brauch, erfahrene, aber national gescheiterte Politiker zur EWG, später zur EU zu entsorgen: Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa.»
Nationale Eigenständigkeit ist immer mehr Schein, nationale Politiker debattieren zwar wie immer, Medien machen Nabelschau wie immer, «doch in Europas Institutionen, die kaum einer kannte und erst recht keiner durchschaute, wurden tausendjährige Grenzen, ewige Rechtsordnungen, ehrwürdige Industrienormen von einem anonymen Beamtenapparat zerkaut und verdaut und durch eine tückisch verwobene Interessenpolitik in Form von Hunderttausend Verordnungen ersetzt.»
Was dann schief ging in der «Kompromissfabrik, die inzwischen in Brüssel, Luxemburg und Strassburg entstanden war»?
Schümer schreibt vom schwarzen Loch der Verantwortung (Beamte in irgendwelchen Büros bestimmen übers Alltagsleben) und findet, die europäische Gemeinsamkeit habe sich schon erledigt, wenn zwischen Staaten nurmehr Hass oder Schweigen herrsche (Griechenland versus Deutschland).
Es wachse bereits eine Generation heran in Europa, die das grosse Projekt nurmehr als Slapstick und Scheitern und Strippenziehen wahrnehme, «die immer neue Nachteile in Form von Schulden, Sparen und Schimpfen hinnehmen muss.»
Die Welt: «Der Untergang einer Kompromissfabrik namens Europa»