Frühlingssession der eidgenössischen Räte: Mit bewährter Aussenpolitik durch turbulente Zeiten!
Der FDP-Neuenburger Didier Burkhalter, Bundesratsmitglied seit dem 16. September 2009 und seit dem 1. Januar 2012 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), trägt dieses Jahr vier Hüte auf seinem Kopf. Er ist wie seine Kolleginnen und Kollegen Mitglied der siebenköpfigen Exekutive. Er ist Departementschef im Aussenministerium. Er ist als Bundespräsident für dieses Jahr turnusgemäss "Primus inter pares", also Sitzungsleiter im Siebnergremium. Und er präsidiert ebenfalls dieses Jahr im Namen der Schweiz die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).
Diese Mehrfachfunktionen mit überlappenden Pflichtenheften sind nicht nur höchst anspruchsvoll. Sie sind auch innen- wie aussenpolitisch verwirrend und vor allem ein Klumpenrisiko für die in der Bundesverfassung (BV) festgeschriebene und im Volk immer noch hoch angesehene Neutralität der Schweiz. Umso erstaunlicher ist es, dass in der Frühlingssession das seit Wochen im Zusammenhang mit der Krise in der Ukraine andauernde Schaulaufen des schweizerischen Bundespräsidenten und seiner diplomatischen Wasserträger nicht hinterfragt wurde. Denn die
Bundesversammlung (Artikel 173 BV) und der Bundesrat (Artikel 175) müssten "Massnahmen zur Wahrung (...) der Neutralität" treffen.
Wo liegt das Problem? Es liegt in den ständig wechselnden Rollen und Funktionen von Didier Burkhalter auf den verschiedensten Bühnen, weil letztlich alles und jedes, was er tut und unterlässt, auf die "neutrale Schweiz" zurückfällt. Das EDA entblödet sich nicht, Auslandreisen des Bundespräsidenten per Communiqué jeweils als "Staatsbesuche" zu überhöhen, wie jüngst in Polen - was sie aber nicht sind, weil unser Sitzungsleiter kein Staatsoberhaupt ist. Diese Funktion kommt nur dem Gesamtkollegium zu. Wenn dann aber "Staatsoberhaupt Burkhalter" ausserhalb der Schweiz das Wort ergreift, ist fast nicht mehr zu erkennen, ob da nun der OSZE-"Chef" auftritt oder der "schweizerische Regierungschef" oder der Aussenminister des neutralen Kleinstaates.
Und die wichtigste Frage: Wie bringt man schweizerische Sanktionsbeschlüsse und Verlautbarungen gegen Russland oder für die Ukraine neutralitätspolitisch so unter die vielen Burkhalter-Hüte, dass die Schweiz dabei glaubwürdig bleibt und vor den widersprüchlichsten Erwartungen "der andern" bestehen kann? Fragen über Fragen. Sie nicht zu beantworten, ja nicht einmal darüber nachdenken zu wollen, das führt zur weiteren Verluderung der wegen Micheline Calmy-Reys "aktiver Neutralitätspolitik" ohnehin schon besorgniserregend relativierten Nichteinmischung der Schweiz in "fremde Händel". Es wird Zeit, sich auf bewährte Grundsätze zu besinnen und der Versuchung zur Teilnahme an der Weltpolitik der Grossen zu widerstehen.
Alles anders seit dem 9. Februar 2014?
Zum Auftakt und zum Finale der Frühlingssession befassten sich beide Kammern mit den Nachwirkungen und mutmasslichen Folgen des Volksentscheids zur Masseneinwanderungs-Initiative, die mittlerweile als Verfassungsauftrag umzusetzen ist, was ohne ernsthafte Anstrengungen zur Kurskorrektur auch gegen alle polemischen "Warnungen" aus Brüssel nicht machbar sein wird. Unser AUNS-Vizepräsident und Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm erklärte zum Aussenpolitischen Bericht 2013 des Bundesrates: "Die Aussenpolitik wird immer wichtiger. Auch die Europapolitik wird immer wichtiger, und sie ist mit der Innenpolitik verflochten. Noch 1999 hat der Bundesrat klipp und klar gesagt: Wir wollen in die EU. Und er hat geschrieben: Die Souveränität wird durch einen Beitritt gestärkt. Ich erinnere mich auch, dass der Bundesrat einmal geschrieben hat, dass z. B. Schengen nicht infrage komme, weil solche Abmachungen und internationale Verträge die Souveränität beeinträchtigten. Schengen kam dann trotzdem. Der Bundesrat hat dann später geschrieben, die EU sei nicht mehr ein Beitrittsziel, sondern eine Option - was immer das heissen mag."
Die Schweiz alles eines der offensten Länder der Welt wolle Marktöffnung. Ebenso selbstverständlich sei, dass die Schweiz bilaterale Verträge wolle und auch mit der EU immer haben werde. Die Schweizer Haltung sei nach der Abstimmung vom 9. Februar 2014 völlig klar, fasste Nationalrat Stamm die Lage zusammen: "Wir wollen keinen EU-Beitritt, wir wollen sogar nicht einmal diesen Binnenmarkt. Der Binnenmarkt ist ja nicht die Marktöffnung, sondern der Binnenmarkt ist ein technischer Ausdruck in Bezug auf das Innenleben der EU. Aber hat denn der Bundesrat der EU mitgeteilt, dass wir nicht beitreten wollen und nicht Teil des Binnenmarktes werden wollen, sondern dass wir einfach die Marktöffnung haben wollen?"
Nationalrat Stamm fand es irritierend, wie sich gewisse Repräsentanten der Schweiz derzeit äussern. Der Schweizer Botschafter in Deutschland und Sonderbeauftragte des schweizerischen Bundespräsidenten für die Ukraine, Tim Guldimann, hat öffentlich vor SP-Genossen gesagt, die Schweiz sei für das Ausland unberechenbar geworden, ihr politisches Denken mache heute an den Landesgrenzen halt, und er habe vom "Parasitenstatus" der Schweiz in Europa gesprochen. "Das ist ja unsinnig", protestierte Stamm. Und wörtlich steht im Nationalratsprotokoll: "Wenn wir einen Vertreter haben, der sich so über die Schweiz äussert, dann haben wir ein Problem."
Schluss mit Verschleppen von Referenden
"Ehre, wem Ehre gebührt", heisst es - und diesmal gilt das für den Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross und seine Fraktion, die sonst wirklich fast nie auf der Linie der AUNS liegen. Doch bei der Teilrevision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte machten sie Nägel mit Köpfen mit dem erfolgreichen Minderheitsantrag: "Unterschriftenlisten, deren Eingang innert der Referendumsfrist von der Amtsstelle bestätigt worden ist, werden auch dann von der Bundeskanzlei berücksichtigt, wenn diese erst nach Ablauf der Frist bescheinigt wurden."
Was steckt dahinter? Kurz gesagt: Die Austrickserei der Bundeskanzlei, als die AUNS im Herbst 2012 mit drei Referenden gegen Steuerabkommen mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich übertölpelt wurde. Die AUNS hatte innerhalb der
gesetzlichen Frist von 100 Tagen genügend beglaubigte Unterschriften gesammelt.
Die mangelhafte Arbeit unzähliger Gemeinden führte aber dazu, dass die rechtzeitig beglaubigten Unterschriften zu spät per B-Post (!) bei der Bundeskanzlei eintrafen. Auf die Leistungsfähigkeit der lokalen Behörden müsse Rücksicht genommen werden, fanden die Bundeskanzlei und das Bundesgericht.
Das war aber dann doch ein zu plumper Affront gegen die politische Mitwirkung der Schweizerinnen und Schweizer und führte nun zum Umdenken im Parlament! Die Mehrheit entschied, der Respekt vor den Volksrechten dürfe nicht von der Willkür der Post und der Gemeindebehörden abhängen.