CVP-Präsident Gerhard Pfister und Ex-Bundesrat Christoph Blocher diskutieren in der BaZ über Bruder Klaus. Morgen Samstag, 19. August, findet die Bruder-Klaus-Gedenkfeier in Flüeli statt.
Nach kurzem Anfangs-Geplänkel setzt Pfister seinen ersten Standpunkt: «Was mich … wirklich stört, ist die Weigerung des Bundesrats, eine Gedenkfeier zum 600. Geburtstag von Bruder Klaus zu organisieren.»
Blocher bestätigt den Journalisten, dass Jubiläen zu feiern durchaus keine Staatsaufgabe sei, «wenn man konsequent wäre. Nur: Vor einiger Zeit jährte sich die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention zum vierzigsten Mal. Eine EU-freundliche Parlamentarierin fragte den Bundesrat damals, was er zu tun gedenke. Dies könne gebührend und öffentlichkeitswirksam gefeiert werden, war die Antwort. Merken Sie, woher der Wind weht? Wenn ein Jubiläum die Unabhängigkeit, Neutralität und Selbstbestimmung der Schweiz betrifft, wird geschwiegen. Man steht nicht mehr dazu.» – Pfister: «Ich habe das Gefühl, viele Politiker und Intellektuelle genieren sich für die Geschichte der Schweiz.»
(Zum Wort Neutralität winden sich gewisse Historiker, die sich «wissenschaftlich» nennen aber ideologisch lehren. Z.B. Thomas Maissen in der Luzerner Zeitung: «Das Konzept der Neutralität kam erst ab dem 17. Jahrhundert auf.»)
Dazu Blocher im BaZ-Interview: «Ich höre, Bruder Klaus wusste gar nicht, was Neutralität bedeute. Klar, … er (verwendete) keine abstrakten Begriffe, um etwas zu erklären. Aber er empfahl den Eidgenossen: ‹Machet den Zun nit zuo wit.› Dieses Zitat wurde ihm zwar erst fünfzig Jahre später zugeschrieben, aber schon sein Zeitgenosse – der Humanist Johannes Trithemius – berichtete, wie ihm Bruder Klaus sagte: ‹Wenn ihr in euren Grenzen bleibt, so kann euch niemand überwinden.› Was ist denn das anderes als Neutralität?»
Wer mit «Machet den Zun nit zuo wit» reflexartig Abschottung, Rückwärtsgewandtheit, «von gestern» gleichsetzt, lese bitte weiter im Interview. Der Fragesteller bringt dazu die Erweiterung der Eidgenossenschaft ins Spiel, in welcher Bruder Klaus im Stanser Verkommnis vermittelte (Fribourg und Solothurn kamen zu den Eidgenossen, was umstritten war).
Blocher: «Das ist kein Widerspruch. Er sagte nicht: Lasst den Zaun stehen. Sondern: Macht ihn nicht zu weit. Er vermittelte eine Lösung, die einen Bürgerkrieg verhinderte. Beide Seiten hatten schon die Rosse gesattelt, und der Kompromiss war, dass man Fribourg und Solothurn aufnahm – was den Landkantonen nicht gefiel –, andererseits aber beschloss, dass bei weiteren Expansionen grösste Vorsicht geboten sei – was den Städtekantonen missfiel.»
Das lange, aber kurzweilige Interview der Basler Zeitung (Erik Ebneter und Dominik Feusi) setzt einen Kontrapunkt zu den Bundesberner Tendenzen, Geschichte unter den Teppich zu wischen, um bei supranationalen Konstrukten möglichst nett dazustehen.
Pfisters und Blochers Gedanken auch zu ihren persönlichen Werten zum Beispiel zu den eigenen Grenzen sind ein wohltuender Kontrapunkt zu so vielen Politikern, die «eigene Grenzen» gar nicht mehr im Wortschatz haben. Pfister und Blocher setzen Akzente, völlig unverkrampft und auch mit Humor. Lohnenswerte Lektüre!