Nicht nur Katalonien will Unabhängigkeit. Der Tages-Anzeiger stellt weitere Gebiete vor, die – mehr oder weniger – unabhängig sein wollen. In visuellem Journalismus sehr schön aufbereitet, legt das Tagi-«Interaktiv-Team» dar, wo wie intensiv um Unabhängigkeit gekämpft wird (gelbe Flammen), was die Anteile einer Region an der Gesamtbevölkerung und der gesamten Wirtschaftskraft (BIP) sind.
Vor den Katalanen noch sind es die Kurden, die am lautesten um Unabhängigkeit rufen. Gemäss Tagi-Bewertung sind rufen auch Flandern (das flache Nord-Belgien), Schottland und die Republika Srpska (Bosnien-Herzegovina) laut nach (mehr) Eigenständigkeit. Oder Sardinien, wo jemand mit der Idee des «Cantone Marittimo» hausiert – Sardinien als neuer Schweizer Kanton…
Was die schöne grafische Darstellung des Tagis zwischen den Zeilen auch aussagt: Menschen wollen ihre Identität, ihre Geografie und ihre Kultur leben, ohne dass ihnen Zwangsjacken übergestülpt werden. Es geht um ein Behalten der eigenen Kultur, der geografischen Identität und des «Grooves», den sich eine Region gebildet hat. Erst, wenn man diese Kleinräumigkeit frei leben kann, wird auch Offenheit, Austausch, Zusammenarbeit und ein fruchtvoller Wettbewerb der Ideen stattfinden.
Die (linke) «Süddeutsche Zeitung» findet sowas nicht gut. Sie schreibt reflexartig, sowas habe etwas mit Nationalismus (was böse ist, in Deutschland halt besonders) oder mit Isolationismus zu tun, «Igel-Politik», «Loslösung von der übrigen Welt». Igitt! Gemäss der Süddeutschen (und anderen EU-ergebenen Mainstream-Medienhäusern) soll man sich gefälligst ducken und akzeptieren, dass die Welt «komplex» geworden sei, dass Kleinräumigkeit nicht mehr funktionieren kann. Es ist verboten (oder lächerlich), sich «Tröstliches» zu holen in Sicherheit, Überschaubarkeit, Selbstbestimmung.
Nun ja… wo letztgenannte Werte wieder wichtig werden, kann die «Süddeutsche» mit ihrem linken, etatistischen EU-/Globalgeschwafel in bekannt überheblicher Schreibe auch keine Leser mehr holen. Darum zwischen den Zeilen: Komplexität ist wichtig! Wir Medienfritzen wissen warum! Akzeptierts gefälligst! (Und klar, mokiert sich der aufgeklärte Journalist auch über neue Bücher im deutschen Buchmarkt, welche deutsche Werte und die deutsche Nation (kontaminiertes Wort, wie lange eigentlich noch?) neu entdecken.)
Warum bloss soll Eigenständigkeit und Kleinräumigkeit automatisch Offenheit, Austausch nach aussen und Zusammenarbeit ausschliessen?!?! Warum klammern sich linke Gutmedien dauernd an diese so falsche Formel?!?
///
Es hätte in Katalonien vielleicht nicht soweit kommen müssen, dass 90% im Referendum eine Unabhängigkeit wünschen und nun Aggression und Ultimaten an der Tagesordnung ist – wenn das grosse Spanien die katalanische Kultur und Identität mit mehr und echter Autonomie gewürdigt hätte. Das hätte vielleicht Frieden bewahrt.
Jedenfalls gilt umgekehrt: Blind und blauäugig ist, wer sich freiwillig, vorauseilend und in unnötigem Ausmass unter supranationale Konstrukte begibt.
@Schweiz: Rahmenvertrag Nein, Bilaterale unaufgeregt hinterfragen (Alles hat seine Zeit: Verträge unterschreiben, Verträge wieder auflösen), mit der EU auf Augenhöhe verhandeln. Das bewahrt Frieden.
Tages-Anzeiger: «Genug vom Mutterland»
Süddeutsche Zeitung: «Gute Zeiten für Europas Separatisten»