Friedrich Dürrenmatt war kritisch mit der Schweiz. Genau darum sagte er auch: «Die Schweiz ist als politische Lösung etwas Hervorragendes.»
Weiterhin zu viele Leute in Bundesbern haben ein Problem mit der eigenständigen Schweiz. «Unbehagen im Kleinstaat» hat dies in den 1960-er Jahren der Schriftsteller Karl Schmid genannt.
Es ist unseren Bundesbernern zu klein hier. Sie wollen sich wichtig fühlen, globales Rénommée haben, «mitreden» (sagen wir mal: so tun als ob), in internationalen Konstrukten auf Etage 2, Gang F, an der Bürotür No. 57 ein eigenes Namensschild anschrauben lassen, sich dabei von der Schweizer Illustrierten ablichten lassen. Sie haben noch Max Frischs Gejammer, vielleicht im Gymnasium von einem zynischen Lehrer vermittelt, im Ohr. Das mit der Kleinräumigkeit der Schweiz, wie die Schweiz so eng sei, wie schlimm das sei.
Diese Denke schwelt weiter. Nationen und ihre Grenzen seien überholt, der grosse Glücksbringer und Problemlöser für alles sei doch Brüssel, auch die UNO in New York: «Naja, etwas Probleme hat man in Brüssel schon, aber die Reformen sind ja irgendwo unterwegs, oder? Es kommt schon gut mit der EU. Der Juncker hats ja gesagt.» … «Es ist ja eigentlich alternativlos. Das hat auch irgendwer mal gesagt…»
Neben Frisch holt man gerne auch Dürrenmatt hervor, der hat ja auch die Schweiz kritisiert, dann muss das mit der schlimmen Kleinräumigkeit ja erst recht stimmen.
Nehmen wirs doch genauer. Weil Dürrenmatt Klardenker war, nicht der Zyniker wie Frisch, sagte er:
«Die Schweiz ist als politische Lösung etwas Hervorragendes (…). Wir sind quasi ein entschärftes Volk, eine Pulverfabrik, in der man nicht raucht, während die Welt ein Pulverfass ist, in der das Rauchen nicht verboten ist.»
oder
«[…] ich halte den Kleinstaat für eine weitaus glücklichere politische Erfindung als den Grossstaat, und sei es bloss deshalb, weil kleine Munitionsdepots ungefährlicher sind als grosse, wenn sie explodieren.»
Schweiz – Kleinstaat, Kleinräumigkeit! Ein Raum, wo man sich noch einigermassen kennt. Wo man in ähnlichen Werten denkt und handelt, seit Jahrhunderten. Wo man seine Identität hat, behält und kennt. Seine Flagge zeigt, seine Hymne singt (gerne doch, liebe Fussballer – ihr könnt doch fast sicher mehr als nur schutten, oder?). Wo man sich nicht für sein Land schämt. Wo man Verantwortung übernimmt.
Das hat nichts mit Stolz und Arroganz zu tun. Viel eher: Dankbar sein, zielstrebig bleiben, selbstverantwortlich leben, immer wieder klar zu denken versuchen, sich nicht zu stark vom Medieneinheitsbrei einlullen lassen. Dabei die Welt bereisen, auch Wohlstand teilen – also alles andere als engstirnig leben. Geht das alles zusammen? Sicher scho! Man muss sogar sagen: Das eine (Weltoffenheit) geht nur, wenn man das andere zuerst hat (Identität und Eigenständigkeit).
Realist Dürrenmatt, der den Kleinstaat Schweiz sicher nicht blauäugig als die Lösung für alles sah, ist aktueller denn je: «Die Gefahr der Grossstaaten besteht in der Umfunktionierung des Staates in ein Vaterland, das gefährlich wird (…). Der Kleinstaat hat die grosse Fähigkeit, den Menschen zu entschärfen. (…) Ein Kleinstaat hat die Bestie Mensch besser im Griff.»
«Ich bin auch darum ein leidenschaftlicher Kleinstaatler, weil gerade Kleinstaaten eine ungeheure Fähigkeit haben zu überleben.» – Die Schweiz sei etwas «sehr Zukünftiges».
Dem ist nichts mehr beizufügen.