Für den neuen Bundesrat Ignazio Cassis hatte die SVP-Fraktion als einzige Parteigruppe eine klare Wahlempfehlung abgegeben. Mit 125 von 246 Stimmen wurde er am 20. September 2017 im zweiten Wahlgang zum Bundesrat gewählt. Inzwischen ist er Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die SVP forderte den neuen Aussenminister auf, vom Abschluss eines Rahmenabkommens mit der EU Abstand zu nehmen.
Aussenminister Cassis weckt Hoffnungen auf Klarheit im EU-Dossier
Die SVP zählt darauf, dass mit Aussenminister Cassis ein FDP-Vertreter im Bundesrat mitentscheidet, der sich ihr gegenüber klar gegen fremde Richter, gegen automatische Rechtsübernahme und andere, die Unabhängigkeit der Schweiz bedrohende Zugeständnisse an die EU geäussert hat. Ebenso klar ist für die SVP, dass der Bundesrat der EU auf keinen Fall die Zahlung einer weiteren Kohäsionsmilliarde ohne konkrete Bedingungen sowie ohne gleichwertige Gegenleistungen anbieten darf. Es sei zu hoffen, "dass der Volkswille nun auch endlich im Bundesrat respektiert wird und dieser in der neuen Zusammensetzung eine echt bürgerliche Politik für die Schweiz macht".
Auslandschweizer brauchen Bankkonten
Für Schweizer Staatsangehörige, die öfter beruflich im Ausland tätig sind, ist ein Bankkonto in der Schweiz etwa für den Abschluss einer Krankenversicherung, für AHV-Beitragszahlungen, für Pensionskassenleistungen und für die Verwaltung von Immobilienbesitz erforderlich. Vor diesem Hintergrund hat der Nationalrat mit einer von seiner Aussenpolitischen Kommission (APK) eingereichten Motion (verbindlicher Auftrag an den Bundesrat) in der Herbstsession mit überwältigenden 178 zu 4 Stimmen (7 Enthaltungen) verlangt, dass die im Besitze des Bundes stehende PostFinance ihre Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr auf Auslandschweizer ausweite.
Dies, weil sich seit geraumer Zeit Schweizer Banken weigern, für Auslandschweizer Konten zu führen. Auch der Ständerat hat anschliessend eine Motion von Filippo Lombardi (CVP/TI) mit 23 zu 14 Stimmen angenommen, die verlangt, dass alle Auslandschweizer ein Konto bei einer systemrelevanten Bank eröffnen können. Für die Lösung des Problems ist nun gemäss Parlamentsauftrag eine Gesetzesänderung erforderlich.
Geld für EU-Grenzschutz
Die Schweiz soll sich gemäss Nationalratsentscheid verstärkt am Schutz der EU-Aussengrenzen (Grenzschutzagentur Frontex) beteiligen, aber die Ausgaben dafür dürfen höchstens 12 Mio. Fr. pro Jahr betragen. Dagegen waren die Grünen, weil dieser Ansatz zum Ausbau der "Festung Europa" führe.
Die SVP wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, das Hauptziel in der Botschaft klar festzuhalten, nämlich illegale Grenzübertritte bereits an der Schengen-Aussengrenze zu verhindern.
Wegen der stark ansteigenden Zahl von illegalen Einwanderern und mutmasslichen Flüchtlingen an ihren Aussengrenzen führten mehrere Schengen-Staaten 2015 an den Binnengrenzen wieder Grenzkontrollen ein. Weiter entschied die EU, den Schutz der Aussengrenzen zu erweitern. Der neuen Agentur wird eine rasch einsatzbare Reserve von 1500 Grenzschutzexperten als Soforteinsatzpool samt technischer Ausrüstung zur Verfügung gestellt.
Gegen die Beteiligung an diesem EU-Konzept argumentierte namens seiner Fraktion (erfolglos) der Berner SVP-Nationalrat Werner Salzmann: "Der Bevölkerung wird vorgegaukelt, die Aussengrenze werde nun endlich geschützt." Der Bevölkerung werde aber nur Sand in die Augen gestreut: "Man tut so, als würde etwas passieren. Aber geschehen wird nichts. Grenzübertritte verhindern, heisst an der Grenze kontrollieren. Wer nicht herein darf, ist abzuweisen."
Grenzwachtkorps nicht gestärkt
Der Ständerat hat eine Standesinitiative des Kantons St. Gallen zur Aufstockung des Grenzwachtkorps (GWK) mit 29 zu 15 Stimmen abgelehnt. Der Schaffhauser SVP-Ständerat Thomas Minder mahnte: "Das GWK hat im letzten Jahr 48'000 Illegale an der Grenze aufgegriffen. Das sind 17'000 mehr registrierte rechtswidrige Aufenthalte und viermal mehr Wegweisungen als im Vorjahr. Die illegale Migration wird hoch bleiben. Afrika zählt 1,2 Milliarden Menschen. Millionen haben nur ein Ziel: Nach Europa zu kommen." Das Tessin werde Hauptziel und Hotspot bleiben. Es mache keinen Sinn, dauernd GWK-Personal aus anderen Regionen ins Tessin abzuziehen.
Rund 200 Grenzübergänge werden heute schon mit Kameras zur automatischen Fahrzeugerkennung und Verkehrsüberwachung kontrolliert. Weitere hundert derartige Einrichtungen sind vorgesehen. Der Ständerat hat darum auch eine Motion aus dem Nationalrat für eine flächendeckende Überwachung des Landes oppositionslos abgelehnt.
Gegen Entwaffnung durch die EU
"Wir lassen uns nicht durch die EU entwaffnen!" Mit diesem Titel reichte der Berner SVP-Nationalrat Werner Salzmann vor Jahresfrist folgende Motion (verbindlicher Auftrag) ein, die der Bundesrat selber zur Annahme empfahl und die im Nationalrat bereits im Frühling eine Mehrheit gefunden hat: "Der Bundesrat wird beauftragt, mit jenen Staaten der Europäischen Union (EU), welche die für die Schweiz unannehmbaren Änderungen des Waffenrechts ebenfalls bekämpfen, Kontakt aufzunehmen und den koordinierten Widerstand bestmöglich zu unterstützen, damit das schweizerische Waffenrecht nicht angetastet wird."
Nach einem zweitägigen EU-Besuch in Brüssel liess Bundesrätin und Justizministerin Simonetta Sommaruga am 10. Juni 2016 die "Erfolgsmeldung" verbreiten, dass das Behalten des Sturmgewehrs in der Schweiz weiterhin möglich sein werde. Nationalrat Salzmann kommentierte das so: "Das ist zwar richtig, aber nur die halbe Wahrheit." Staatliche Behörden müssten künftig in regelmässigen Abständen prüfen, ob Personen, die Feuerwaffen führen, keine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Von Sportschützen wäre weiter "eine zufriedenstellende umfassende medizinische und psychologische Beurteilung der Zuverlässigkeit" sowie der Nachweis beizubringen, dass sie an anerkannten Schiesswettbewerben einer offiziellen Sportschützenorganisation oder eines internationalen Sportschützenverbandes teilnehmen.
"Das bedeutet", stellte Nationalrat Salzmann fest, "dass Hunderttausende von Schweizern entwaffnet würden." Der Bundesrat beruhigte, er setze das Anliegen schon um, im Rahmen der Anpassung der EU-Waffenrichtlinie mehr Sicherheit zu schaffen, ohne nationale Gepflogenheiten und Traditionen infrage zu stellen. Vor diesem Hintergrund gab sich der Ständerat mit dem bisherigen Ergebnis der Verhandlungen zum EU-Waffenrecht zufrieden: Er hat mit 29 zu 13 Stimmen (2 Enthaltungen) die Motion Salzmann als gegenstandslos abgelehnt.
Bankgeheimnis schützt Privatsphäre
Der Nationalrat will mit 117 zu 68 Stimmen (4 Enthaltungen) das Inland-Bankgeheimnis gemäss der Volksinitiative „Ja zum Schutz der Privatsphäre" in der Verfassung verankern. Er hält auch am Gegenvorschlag fest, die geltende Gesetzgebung in die Bundesverfassung zu schreiben. Ständerat und Bundesrat lehnen beides ab.
Der Nationalrat bekräftigte erneut seinen früheren Entscheid, die Initiative sei Volk und Stränden zur Annahme zu empfehlen. Mitinitiant und SVP-Nationalrat Thomas Matter beanstandete, das Parlament habe die Souveränität in Finanzmarktfragen völlig über Bord geworfen: "Es genügte eine Drohung aus den USA, einer Grossbank ein angeblich existenzgefährdendes Strafverfahren an den Hals zu hängen. Schon sind wir zusammengebrochen, haben unser Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland preisgegeben. Wir waren sogar bereit, durch rückwirkende Rechtsetzung die früher sakrosankte Rechtssicherheit preiszugeben. Wer hätte sich vorstellen können, dass die Schweiz im Fall von Gruppenanfragen Amtshilfe leistet und dass unsere Grossbanken die Namen eigener Mitarbeiter fremden Staaten aushändigen würden?"
Finanzminister Ueli Maurer berichtete namens des Bundesrats, der Schutz der Privatsphäre sei in der Verfassung genügend geregelt. Matter wollte von Bundesrat Maurer zu den höchst umstrittenen Plänen für eine Steuerrechtsrevision wissen: "Wird diese Revision bei einem Nein zur Volksinitiative oder bei einem Nein zum direkten Gegenvorschlag wieder auf den Tisch kommen?" Dazu sagte der Finanzminister: "Der Bundesrat hat diese Steuervorlage schubladisiert beziehungsweise sistiert. Ich gehe davon aus, dass das Problem bei einer Ablehnung der Initiative oder des Gegenvorschlages wieder auf den Tisch kommt. Der Bundesrat hat zumindest nichts anderes beschlossen."
Beide Kammern hielten an ihren Positionen fest. Einen Ausweg schlägt die Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerates nun mit einer Motion vor, die den Verzicht auf die Revision des Steuerstrafrechts fordert. Entscheidet sich die WAK des Nationalrates für eine gleiche Motion, könnte die Vorlage in der Wintersession bereinigt werden.
Masseneinwanderung bleibt umstritten
Als erste Kammer befasste sich der Nationalrat mit der Volksinitiative "Raus aus der Sackgasse" (Rasa). Diese verlangt, den von Volk und Ständen am 9. Februar 2014 beschlossenen Verfassungsartikel gegen die Masseneinwanderung aus der Bundesverfassung zu streichen. Die Staatspolitische Kommission (SPK) sprach sich mit 17 gegen 2 Stimmen gegen die Initiative und mit 17 gegen 8 Stimmen auch gegen einen Gegenvorschlag aus. SP und Grüne möchten Kontingente und Höchstzahlen streichen. Eine "Mitte-Variante" will die Zuwanderung im Rahmen der völkerrechtlichen Verpflichtungen und im gesamtwirtschaftlichen Interesse steuern. Die SVP strebt an, die Pflicht zur Kündigung des EU-Freizügigkeitsabkommens in die Verfassung zu schreiben. Nach fünf Stunden Debatte lehnte der Nationalrat das Volksbegehren mit 125 zu 17 Stimmen (50 Enthaltungen) ab.
Das Parlament hat bis 27. April 2018 Zeit, eine Abstimmungsempfehlung zu beschliessen. Daneben stehen Initiativen zur Kündigung der Personenfreizügigkeit im Raum. Jene von SVP und AUNS komme bald, kündigte AUNS-Präsident und Nationalrat Lukas Reimann (SVP/SG) an. Noch im Herbst will der Bundesrat das weitere Vorgehen festlegen.