Tschechiens ehemaliger Ministerpräsident Václav Klaus (76) war der Gastredner der 33. Mitgliederversammlung der AUNS. In seiner Deutsch vorgetragenen Rede prangerte er den Zentralismus der EU an und verglich diesen mit den späteren kommunistischen Zeiten der Tschechoslowakei. Die Zuhörer folgten seiner Rede gebannt. Immer wieder gab es Spontanapplaus, am Schluss einen herzlichen, langen stehenden Applaus.
Dieser Artikel gibt die Rede Klaus’ nur gekürzt wieder. Die ganze Rede lesen Sie hier (PDF).
Dass die Schweiz nicht EU-Mitglied sei, müsse man geradezu als Rarität bezeichnen. «Ich trete heute für das ein, wofür auch die Schweiz eintritt. Freiheit, Eigenständigkeit, eigene Identität behalten, Entscheide selber fällen.» Insofern habe er und die Schweiz die gleichen Ziele, die gleiche Haltung, auch die gleichen Feinde.
Klaus blendete zurück in die Zeit, als die Tschechische Republik der EU beigetreten ist. «Ich gebe zu: In meiner Funktion als Staatspräsident war ich es, der den Brief mit der Anmeldeformular nach Brüssel schickte.»
Im Nachhinein sehe er, dass er damals keine gute Rolle gespielt habe. «Wie passt das zusammen? — Anfang der Neunzigerjahre hatten wir den Luxus der souveränen Schweiz bei uns nicht. Nach dem Fall des Kommunismus waren das ganze Land sehr unsicher. Wir mussten demonstrieren, dass unsere Ausrichtung der Westen ist, nicht der Osten. Man verstand aber unsere Ambitionen nicht.» Im November 1989 habe man die samtene Revolution erleben dürfen (gewaltloser Wechsel vom Sozialismus zu freier Marktwirtschaft). «Die Strassen von Prag waren voller Plakate mit dem EU-Emblem. Wir wollten nach 40 Jahren Unfreiheit wieder ein normales europäisches Land werden.»
Klaus sei aber vielleicht der Einzige gewesen, der immer betonte: Zurück zu Europa sei nicht das gleiche wie vorwärts in die EU. «Unsere Bürger haben den Westen damals nicht richtig verstanden. Leider. In diesem waren sie aber nicht allein – bis heute verstehen die meisten Bürger die EU, in der sie wohnen, nicht. Sie als AUNS-Mitglieder verstehen es besser als die Mehrheit der Menschen in der EU.»
Klaus habe seine EU-Kritik schon damals mit der Frage unterstrichen, er wolle sehr wohl Freiheit, «aber bin nicht sicher, ob ich sie in der EU finden kann.» Was immerhin geblieben sei von seiner Haltung – es sei ein kleiner Trost für ihn: «Dass die Tschechen heute gemäss Umfragen die grössten EU-Skeptiker sind.»
«Viele Europäer schauen nicht mit voller Aufmerksamkeit hin, was die Ursachen der Probleme im heutigen Europa sind. Oder sie haben den Eindruck, dass unsere Probleme mit der Weisheit europäischen Eliten gelöst werden können. Meine Botschaft hier in Bern ist radikal anders. Denn solche passive und unverantwortliche Einstellungen werden uns unsere Enkelkinder nicht verzeihen.»
Man könne den Kommunismus und die EU nicht direkt vergleichen. «Aber die Menschen sind heute in der EU fast so stark manipuliert und indoktriniert wie wir es in der späteren kommunistischen Ära gewesen sind. Die Meinungsfreiheit ist eingeschränkt. Politische Korrektheit steht über allem. Gewisse Fragen und Antworten werden nicht erlaubt. Die wirkliche Debatte existiert in der heutigen EU nicht mehr.» — «In Europa erleben wir ein gefährliches demokratisches Defizit. Es gibt eine wachsende Entfernung der Bürger zu den Entscheidungsträgern und eine gefährliche Entpersonifizierung in der EU. Authentische demokratische Repräsentatnz ist in diesem System ist nicht mehr möglich.»
Das Problem, das man in Europa erlebe, sei ein man made (selbstgemachtes) Problem. Das Gleichgewicht zwischen Staat und Markt sowie zwischen Politik und menschlicher Freiheit sei nicht mehr vorhanden. «Die Währungsunion und Schengen wurden den Bürgern nicht klar genug erklärt, und sie wurden ihnen um einen falschen Preis verkauft. Denn sie sind nicht so günstig und vorteilhaft, wie es den Menschen versprochen wurde. Nur die Vorteile, nicht Nachteile wurden damals betont. Die Nachteile waren bekannt, die Gegner waren leider zu leise.»
Auch das Thema Migration müsse methodologisch genau anschauen – auch in der Migration spiele das Prinzip Angebot Nachfrage. «Es sind die offenen Grenzen in Europa, welche Nachfrage schaffen, nicht das Elend im Weltsüden.» Aber die Mehrheit der Politiker Europas sähen das anders. «Sie haben die Türen zu Europa ganz absichtlich geöffnet. Ich nenne es, ich glaube berechtigterweise, Völkerwanderung. Es ist eine Bedrohung der Freiheit und Demokratie, und auch der europäischen Prosperität. Massenimmigration bringt gefährliche Beschädigung unserer Werte, unserer Traditionen, Sitten und Lebensweisen mit sich. Ich spreche in diesen Themen auch nicht gerne über Terrorismus. Die Diskussion um die Ursachen des heutigen Probems sollten nicht auf dem Terrorismus lasten.»
Die Debatte sei ein Krieg der Ideen und Interpretationen.
«Die Schlachtpositionen sind bekannt.
Meine Seite: Freiheit, Demokratie, Verantwortung, Ordnung, Souveränität, Patriotismus, Auslandsreisen statt Migration.
Die andere Seite: Politische Korrektheit, Multikulti als Bereicherung, Verantwortungslosigkeit, Chaos, Merkel und Macron, Junker, unfreiwillige Zentralifizierung, Harmonisierung, Kulturmarxismus der Frankfurter Schule. – Diese sterilisierte Beschreibung halte ich übrigens nicht für eine Karrikatur. So klar sind die Karten heute verteilt.»
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«Ich habe etwas Angst, dass wir nicht genug Kraft zum Widerstand haben.»
«Die Schweiz spielt im heutigen Europa eine wichtige Rolle. Sie zeigt, dass es möglich ist, anders zu leben. Die Tschechische Republik hatte am Neuanfang nach dem Kommunismus nicht das Privileg, das die Schweiz schon immer hatte. Und heute sind wir leider nicht eine Insel wie Grossbritannien. Somit ist es schwierig, einen EU-Austritt zu anzugehen. Trotzdem versuchen wir aber, in den Visegrad-Staaten eigene Positionen selbständig auszudrücken.» —
«Wie man sieht, ist die Reaktion von Brüssel nicht nur negativ. Sondern explizit feindlich. Diese Arroganz sollten wir nie akzeptieren.»
Urs Brunner meint
Herr Václav Klaus hat auch ein ausgezeichnetes und kritisches Buch über die globale Klimaerwärmung
geschrieben: "Blauer Planet in grünen Fesseln.Was ist bedroht: Klima oder Freiheit".
ISBN: 978-3-900812-15-7, Carl Gerold's Sohn Verlagsbuchhandlung KG, 1080 Wien.
Richard Maurer meint
dem Kommentar von Rolf Bolliger kann ich nur zustimmen. Ich würde mir wünschen, dass die volle Rede hier aufgeschaltet würde, sei es als Video- oder Audio-Datei, sie ist sicher von der AUNS aufgenommen worden.
Webmaster meint
Sobald wir das Video haben, wirds augeschaltet.
Rolf Bolliger meint
Jedes Wort, das uns heute Samstag-Nachmittag der ehemaligeTschechische Ministerpräsident Vàclav Klaus, zur europäischen Politik (vorallem über das selbstherrliche, volksfremde EU-Machtverhalten!) in seiner ruhigen, fundierten und sachlichen Rede vortrug, war eine Wohltat für alle Anwesenden, die unsere direkte Demokratie verstehen und hochhalten! Dass in der SRF-Tagesschau kein Wort über diesen Staatsmann aus Osteuropa gesprochen wurde, zeigt einmal mehr, welche "Pro-EU-Ideologie" unser "Service public" vertritt! Wer kritische Ansichten zur oder über die EU äussert, wird tabuisiert (zensuriert und totgeschwiegen!) Da kann ein Redner noch so ein hochwertigen und bekannten Politiker oder Staatsmann sein! Das ideologische Verhalten des zwangsgebührenpflichtigen Staatsfernsehen kommt mir vor, wie die damaligen DDR-Methoden!