Zum Tod von Paul Eisenring (1924–2016) / von Christoph Blocher.
In seinem Heim in Erlenbach/ZH ist der langjährige CVP-Nationalrat Paul Eisenring im 92. Lebensjahr verstorben. Als Sohn eines Textilfabrikanten in Wil (SG) geboren, besuchte Eisenring die Mittelschulen in Feldkirch, Engelberg und Zürich. Er studierte an den Universitäten von Zürich und Bern Rechtswissenschaften, bevor er bereits als 22-Jähriger seine Dissertation über die Funktionen des Grundkapitals im schweizerischen Aktienrecht veröffentlichte.
Es waren drei Bereiche, die Paul Eisenring lebenslang faszinierten: die Wirtschaft, der Journalismus und die Politik. Schon als Werkstudent berichtete er für den «Tages-Anzeiger» und die «National-Zeitung» über die Debatten des Ständerats. Er rettete die traditionsreiche «Handelszeitung» vor dem Ruin, wurde 1950 deren Chefredaktor, Direktor und dann deren langjähriger Verwaltungsratspräsident. Mit spitzer Feder, schnörkellos zupackend, oft auch mit beissendem Witz begleitete er aus Sicht des Wirtschaftsstandortes Zürich das Geschehen in Bundesbern. Dabei wachte Eisenring aufmerksam über den haushälterischen Umgang mit den Staatsfinanzen und prangerte bürokratische Leerläufe an.
Öffentlichen Ämtern verschloss sich Eisenring nicht. So amtete er zwölf Jahre im Gemeinderat Erlenbach, war 1972 bis 1980 Präsident (und späterer Ehrenpräsident) der CVP des Kantons Zürich, 28 Jahre lang hat er im Nationalrat gewirkt und den Rat 1979/80 präsidiert.
Paul Eisenring gehörte zu den Schwergewichten seiner Partei, auch wenn er wohl nicht immer ein einfacher Fraktionskollege war, trat er doch unerschrocken und beharrlich für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung ein. Dabei sparte er nicht mit Kritik, etwa an jenen Interessenverbänden, die schon damals oft ordnungspolitische und staatspolitische «Sünden» begehen wollten, indem sie jammerten, ihre Branche sei «existenzgefährdet». Hier konnte er unerbittlich werden: Es gehöre gerade zu den Erfolgsrezepten der Marktwirtschaft, dass grundsätzlich alle Unternehmen «existenzgefährdet» seien. Eisenring diente zahlreichen Verwaltungsräten wichtiger Unternehmen und lobbyierte direkt und ohne scheinheiligen Moralismus für deren Interessen. Trotz – oder vielleicht deswegen – lagen ihm die Schweizer Erfolgssäulen Unabhängigkeit, Neutralität, Volksrechte und Föderalismus sehr am Herzen. Überzeugt kämpfte er gegen die Schwächung des Schweizer Erfolgsmodells, und speziell stellte er sich gegen den Beitritt in die politische UNO, in den EWR und in die EU.
Als 1989 die Diskussion über die künftige Europapolitik aufkam, aber deren Diskussion im Nationalrat gerade einmal auf eine Stunde des letzten Sessionstags beschränkt wurde, während zuvor 70 Redner drei Tagen lang zur Fichenaffäre gesprochen hatten, rief Eisenring in den Saal: «Wir leben in einer Phase des parlamentarischen Unsinns und Blödsinns!»
Von 1986 bis 2003 war Paul Eisenring ein bedeutender Mitkämpfer im Präsidium der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS). Es gehörte damals viel Mut dazu, auf dem Posten des Vizepräsidenten auszuharren, besonders, nachdem neben der SP auch die CVP und die Freisinnigen den EU-Beitritt beschlossen hatten. Ich erinnere mich an zahlreiche seiner bissigen, aber geistreichen Bonmots auch über seine eigene Partei, seine katholische Kirche und das Papsttum. Aber Eisenring hat Differenzen stoisch getragen. Auch in seiner praxisnahen Ethik war Paul Eisenring den abgehobenen, weltfremden Schwätzern weit überlegen. Der Satz auf der familiären Todesanzeige dürfte dem politischen Fundus von Paul Eisenring entstammen: «Politik ist die Kunst, Gott so zu dienen, dass der Teufel darüber nicht böse wird.»