Zeit für einen Aufwisch: Am 9. Februar 2014 haben Volk und Stände beschlossen, die Schweiz als souveräner Staat müsse die Einwanderung wieder selber steuern können. Seit der Einführung des freien Personenverkehrs mit der EU am 1. Januar 2002 ist die Zuwanderung jährlich massiv gestiegen. Die Folgen sind alltäglich und für jedermann spürbar. Deshalb verlangt Artikel 121a der Bundesverfassung eine Obergrenze und Kontingente für Ausländer sowie einen griffigen Inländervorrang.
Nullösung und Pakt mit Brüssel
Die Mehrheit des Nationalrates beschloss am 21. September 2016, den Verfassungsartikel nicht umzusetzen. Lediglich ein „Inländervorrang light“ beauftragt die Arbeitgeber, freie Arbeitsplätze inländischen Stellen (RAV) zu melden, somit sollen in der Schweiz lebende Arbeitnehmer – Schweizer und EU-Ausländer! – eine kleinen Vorsprung auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Allfällige Massnahmen bei einer zu starken Einwanderung müsse der Bundesrat von der EU absegnen lassen. De facto bedeutet der Entscheid des Nationalrates, es bleibt alles beim Alten, der 9. Februar 2014 ist aus der politischen Agenda gelöscht.
Realitätsfern
Die Schweiz spielt erneut die Steigbügelhalterin der EU-Kommission. Die EU-Staaten diskutieren schon längst ernsthaft die negativen Folgen der Personenfreizügigkeit. Das Ja des britischen Volkes zum EU-Austritt gründet auf dem Willen, die Zuwanderung nicht an die EU-Bürokratie abzutreten. Vor kurzem wurde in Brüssel eine Studie veröffentlicht, wonach die Arbeitsmobilität für das Funktionieren eines Binnenmarktes für Güter, Dienstleistungen und Kapital nicht zwingend notwendig sei. Die EU-Ideologen – vorab Juncker und Schulz – verkünden gebetsmühlenartig, die Freizügigkeit sei der nicht verhandelbare Kern der EU. Offenbar auch die Ansicht der nationalrätlichen Mehrheit.
Mutlos, respektlos
Bundesbern ist nun endgültig zum Angsthasen-Irrlicht verkommen. Die Argumente für die Nichtumsetzung der Verfassung zeugen weder von Weitsicht noch vom Willen, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. Nichts dürfe die Personenfreizügigkeit in Frage stellen. Die Gefahr einer Kündigung der bilateralen Verträge (gemeint Bilaterale 1) sei zu gross. Zudem habe das Stimmvolk mehrmals den bilateralen Verträgen zugestimmt.
Fazit:
- Der Nationalrat hat es seit Jahren versäumt, den Bundesrat zu ermahnen, gegenüber der EU mit einer klaren Taktik aufzutreten und die Interessen des Schweizer Volkes zu verteidigen.
- Der Nationalrat hatte es bei den Verhandlungen über die Bilateralen 1 zudem versäumt, die Guillotineklausel als souveränitätspolitischen Verrat zu verhindern (wenn ein Vertrag innerhalb der Bilateralen 1 gekündigt wird, sind automatisch die restliche Verträge ungültig). Diese Klausel hat die Schweiz und ihre Demokratie gegenüber Brüssel erpressbar gemacht.
- Der Nationalrat nimmt seine Aufgabe nicht wahr. Die Vertretung des Volkes erteilt „seinem Volk“ einen regelrechten „Tritt in den Hintern“.
- Der Nationalrat setzt die Lügenpolitik fort. Im Abstimmungskampf 2002 behauptete der Bundesrat, die EU-Einwanderung werde jährlich lediglich netto 10‘000 Personen betragen (Gutachten Straubhaar). Heute sind es bis zu 10 Mal mehr. Und wenn das Staatssekretariat seco die finanziellen Folgen der Freizügigkeit komplett falsch einschätzt, bleibt das unerwähnt. Die Schweiz zahlt jährlich 200 Millionen Franken Arbeitslosengeld an EU-Personen, die in der Schweiz vorübergehend gearbeitet haben, in die EU zurückkehren und sich „zu Hause“ als arbeitslos melden. Wie das den Schweizer Wohlstand stärkt, bleibt schleierhaft.
- Der Nationalrat ist bereit, den Schweizer Arbeitsmarkt noch stärker mit flankierenden Massnahmen „zu schützen beziehungsweise zu knebeln“. Die Bürokratie und die Kosten dafür steigen bei gleichzeitiger Verminderung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Wirtschaftsstandortes weiter – zur Freude der Gewerkschaftsfunktionäre.
- Der Nationalrat verrät die schweizerische Bundesverfassung. Er folgt Brüssel und setzt EU-Recht über schweizerisches Verfassungsrecht. Obwohl nicht einmal die EU selbst bis heute klar formuliert hat, ob sie die Bilateralen 1 bei der Wiedereinführung einer eigeständigen Zuwanderungspolitik kündigen würde, hinterlässt Bundesbern voreilig vor der Kolonialherrin EU eine üble Kriechspur.
Scheinsieg
Die AUNS geht davon aus, dass der Ständerat in der Wintersession seine demokratische Verantwortung nicht wahrnimmt und dem Nationalrat grundsätzlich folgt. Mit Blick auf die Entwicklung in der EU und mit der anhaltend starken EU-Einwanderung in die Schweiz kann die Classe politique nur einen Scheinsieg feiern. Wird die hemmungslose Zuwanderung nicht bald korrigiert, wird der Souverän handeln. Und der desolate Zustand der EU wird ohnehin dazu führen, dass EU-intern die Säule „grenzenloses Europa“ ins Wanken gerät.
Klar, was auf uns zukommt
Die aktuelle Diskussion zeigt bilderbuchmässig auf, was ein sogenannntes EU-Anbindungsabkommen – auch Rahmenabkommen oder institutionelles Abkommen genannt – bedeuten würde. Sämtliche neue EU-Gesetze müssten ohne direktdemokratische Mitbestimmung unter Beobachtung des EU-Gerichtshofes übernommen werden. Konkret müsste die Schweiz die EU-Unionsbürgerschaft übernehmen, welche EU-Ausländer den Schweizern auch im politischen Bereich gleichstellt. Und bei EU-Erweiterungen – Türkei? – müsste die Schweiz die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit ohne Wenn und Aber übernehmen. Konkret: Das geplante EU-Anbindungsabkommen muss mit aller Kraft verhindert werden.
Fragen? Frei nach Shakespeare (Drama Julius Caeser): „Bei Philippi sehen wir uns wieder“.