Rudolf Strahm beobachtet in seiner Kolumne im Tages-Anzeiger, wie – fast unbemerkt – der Bundesrat seinen EU-Kurs ende Juni strategisch neu sortiert hat. Die Personenfreizügigkeit (Masseneinwanderungsinitiative) soll nicht mehr getrennt von den «Institutionellen Fragen» (u.a. Fremde Richter) behandelt werden.
Die EU hat die Diskussion ja mit noch mehr Dossiers gefüllt, in Sachen Strom, Banken, Unternehmensbesteurung, Geld für Ostländer.
All diese Dossiers werden nun in 1 Koffer gepackt, 1 «Superdiplomat» soll gemäss Strahm diesen Koffer herumschieben. Strahm: «Aus heutiger Sicht scheint mir diese neue Verhandlungsstrategie richtig, weil sie mehr Ergebnisflexibilität verspricht.» Er erklärt zwei Konsequenzen, welche das für die Schweiz habe.
Was ist, sein könnte, sich eventuell so oder anders entwickeln würde – Strahm schreibt, er wolle damit nur «Chancen und Risiken» beurteilen. Vor allem liest man, die EU müsse flexibler werden. Denn sie erhält von Strahm keine guten Noten.
Zum Beispiel die «dogmatische Unnachgiebigkeit Brüssels und die periodischen Drohgebärden gegenüber der Schweiz, die von den meisten Brüssel-Korrespondenten – auch jenem dieser Zeitung – unhinterfragt kolportiert werden.»
(es heisst ja nun immer nur noch «diese Zeitung», weil alles oder nichts gemeint ist – der Einheitsbrei von Tagi, BZ, BaZ usw.)
Strahm schreibt weiter:
«Die EU ist in entscheidenden existenziellen Fragen in der grössten Krise ihrer Geschichte. Dies macht sie bewegungsunfähig, starr und dogmatisch.»
oder:
«De facto ist das Dublin-Abkommen über die Asylpolitik mit dem Umgang mit Flüchtlingen im Mittelmeer längst ausser Funktion gesetzt worden, nur darf man dies nicht so sagen.»
oder:
«Selbst innerhalb des Brüsseler Apparats spricht man von den «Ayatollahs», die aus dogmatischen Gründen verbale Kriegserklärungen inszenieren.»
Und schliesslich, Strahms letztes Zitat hier: Diese EU-Haltung «stärkt die rechtsnationalistischen Kritiker in immer mehr EU-Mitgliedsländern.»
Die Schweiz ist nicht Mitgliedsland, wir können uns glücklich schätzen dass es nicht so ist. Aber auch wir werden in unserer EU-Kritik einmal mehr gestärkt.
Übrigens: Was ist nicht gut daran, für die Identität eines Landes einzustehen, Unabhängigkeit und Freiheit einzufordern, kritisch zu sein? Wenn wir damit halt den Gutmenschen-Stempel «rechtsnationalistisch» (bös, bös) erhalten – so what?
Photo: So sieht EU-Einheitsbrei aus. Uniform, unflexibel, linear, langweilig, menschen-feindlich.
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