Am 18. Mai entscheidet das Schweizer Volk vordergründig über die Anschaffung einer relativ kleinen Anzahl moderner Kampfjets der Marke Gripen, die den Staat rund drei Milliarden Franken kosten.
Ein Beitrag von Prof. em. Hans Giger (Zürich), den die NZZ nicht publizieren mochte, weil «es definitiv zu spät» sei.
Gemäss einer «Exklusiv-Umfrage» im Sonntagsblick vom 4. Mai 2014 lehnen 52 Prozent den Erwerb ab, was die Redaktoren zur Feststellung animiert, «das Volk schiesst den Gripen ab» und dies unter der Akklamation «Fertig lustig Herr Maurer!». Formulierung und Interpretation sind irreführend. Sie täuschen über die Tatsache hinweg, dass bekanntlicherweise Statistiken nach dem «Arafatsystem» unzuverlässig sind. Nicht ohne Grund nennt man sie den vierten Grad der Lüge.
Die richtige Haltung bezüglich Gripenkauf lässt sich aus unserer Bundesverfassung ableiten: «Rechtsstaatlichkeit» bedeutet danach nicht nur Einhaltung der normativen Ordnung und Abwehr unberechtigter Eingriffe, sondern erfasst im Sinne des integralen Sinngehalts vorab die Grundsatzaussage, wonach jeder Bürger unserer Nation den unentziehbaren Anspruch auf Schutz vor fremden Übergriffen geltend machen kann.
Das berührt u.a. vor allem die Pflicht, eine funktionstüchtige Armee aufzubauen und zu unterhalten.
Der Autor dieser Zeilen gehört noch einer Generation an, die im Jugendalter den zweiten Weltkrieg als Grenzbewohner des Dritten Reiches hautnah miterlebte. In dem damals pulsierenden Informationsaustausch beherrschte die Angst weite Bevölkerungsschichten angesichts der Tatsache, dass kein genügend wirksames militärisches Abwehrsystem zur Verfügung stand, um wenigstens eine Abschreckungswirkung zu erzielen. Grund zur Sorge bildete das zuvor bestehende leichtsinnige Sicherheitsgefühl. Wer sollte schon die Schweiz angreifen? Darin hatte man sich allerdings gründlich geirrt. Die Furcht, doch noch in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden und die Angst vor der alsdann drohenden «Versklavung» der Bevölkerung blieb indessen bestehen. Im Laufe der Zeit konnte dann mit grosser Anstrengung vieles nachgeholt werden.
Gestützt auf all diese Erfahrungen tönt es deshalb wie eine Verhöhnung der Realitäten, wenn nun heute gewisse «Volksvertreter» in ihrer menschenverachtenden Unbedarftheit die Frage stellen, «Wofür will er (gemeint: Bundesrat Maurer) denn all das kaufen?». Vielleicht sollte man sich darauf besinnen, dass Steuergelder in aller erster Linie zum Wohl und zur Sicherheit der Bevölkerung einzusetzen sind.
An diesen Grundfesten unserer seit Jahrhunderten bewährten Politik darf nicht gerüttelt werden. Dies gilt umso mehr in einer Zeit wie der heutigen, in der jede Entscheidung eines jeden Bürgers weitgehend von Informationen abhängt, die ihn über die verschiedensten Kanäle auf unterschiedlichste Weise anpeilen.
Wir alle aber wissen, dass die Informationen wie auch der Übertragungsvorgang auf den Adressaten zahlreichen Modifikationen und Verfälschungen ausgeliefert sind. Damit wird der Betroffene in unterschiedlicher aber nachhaltiger Art und Weise in seiner Meinungsbildung programmiert. Das führt zwangsläufig – vorab bei statistischen Erhebungen – zu schicksalshaften Fehlentscheiden.
Umso wichtiger ist deshalb die Einhaltung der in unserer Grundordnung verankerten Prinzipien wichtig: Bereits in der Präambel der Bundesverfassung wird die Verantwortung auch gegenüber den künftigen Generationen feierlich verkündet.
Darüber hinaus besteht gemäss Art. 2 Abs. 1 Bundesverfassung (BV) die unabänderliche Pflicht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, «Die Freiheit und die Rechte des Volkes» zu schützen und «die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes» zu wahren. Gemäss Art. 36 Abs. 4 BV ist «der Kerngehalt der Grundrechte unantastbar». Der Bund hat gemäss Art. 42 Abs. 1 BV sodann die Aufgabe zu erfüllen, «die ihm die Bundesverfassung zuweist». Sodann befassen sich die Bestimmungen Art. 57 ff BV mit der «militärischen Sicherheit des Landes» und dem Schutz der Bevölkerung.
Im Klartext ist damit ausgesagt, dass die zuständigen Organe kompromisslos alles zu unternehmen haben, um einen möglichen Souveränitätsverlust unserer Eidgenossenschaft zu verhindern. Dazu gehört ohne Wenn und Aber eine schlagkräftige Armee und deren Ausstattung mit den modernsten zur Abwehr von Angriffen geeigneten Einrichtungen und Waffen. In unserer Zeit ist dies vor allem eine jederzeit einsetzbare Luftwaffe. Wer – wie vor einiger Zeit ein Parlamentarier – in der Arena ausrief «Wo ist denn der Feind? Ich sehe ihn nicht.», verkennt sowohl die Vergangenheitsbewältigung während des Zweiten Weltkrieges (dazu vor allem MEYER ALICE, Anpassung oder Widerstand. Die Schweiz zur Zeit des Deutschen Nationalismus, Zürich 1965) wie aber auch das latent bestehende Drohpotential der Gegenwart.
Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass die Sicherung der Schweiz – vorab im Sinne der Abschreckung – zum Schutze unserer Souveränität nur durch die Anschaffung einer modernen Flugwaffe, also des geplanten Gripenkaufs – bewirkt werden kann. Die militärische Ausstattung mit den vorgesehenen 22 Saab-Flieger stellt das absolute Minimum dar. Die dagegen erhobenen Bedenken oder gar Vorwürfe wegen der damit verbundenen finanziellen Belastung sind nur durch eine Flucht in das Opportunitätsprinzip erklärbar: Es will der unantastbare Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit um den Preis finanzieller «Vorteile» bzw. «Umverlagerungen» geopfert werden; eine Insinuation, die reine Vorwandpolitik darstellt.
Demaskiert wird der Trend, am falschen Ort zu sparen, hier zulasten der staatlichen Sicherheit. Ein Blick auf die Statistik belehrt, dass für soziale Wohlfahrt 31,1 Prozent, für die Landesverteidigung 7,4 Prozent investiert wurden. Weitere Einzahlungen von Beiträgen in zweistelliger Milliardenhöhe etwa in den IWF zur Unterstützung notleidender EU-Nationen, «Kohäsionszahlungen» an neue EU-Länder u.a.m. lassen den Glauben an die kompetenten Stellen, im Interesse der Eidgenossenschaft zu handeln, in Zweifel ziehen. Es ist zu hoffen, dass die kommende Abstimmung wieder einmal mehr beweist, dass die Bevölkerung der Schweiz anders denkt.
Foto: Ernst Vikne / Wikimedia Commons